Fracking in Deutschland: eine Option?
In Folge des russischen Angriffs gegen die Ukraine schrumpfte der Anteil russischen Erdgases am deutschen Gasmix von mehr als der Hälfte auf null zusammen. Vor diesem Hintergrund erlebte die Diskussion um Fracking in Deutschland ein Revival: Bislang ist der Einsatz dieser Technologie in nicht konventionellen Lagerstätten in Deutschland verboten. Aber könnte Fracking zur Versorgungssicherheit in Deutschland beitragen? Was wissen wir über Chancen und Risken von Fracking? Und was nicht? Unsere Themenseite gibt einen Überblick. Sie basiert auf der Publikation „Fracking: eine Option für Deutschland?“.
Was ist Fracking?
Fracking ist ein technisches Verfahren, bei dem unter hohem Druck eine Flüssigkeit („Frac-Fluid“) in den Untergrund gepumpt wird, um Risse im Gestein zu erzeugen. Zusatzstoffe in dieser Flüssigkeit halten die so erzeugten Risse offen. Das in der Gesteinsschicht vorhandene Erdgas kann dann entweichen.
Man unterscheidet zwei Arten von Fracking: Fracking in konventionellen Lagerstätten und Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten. Was ist der Unterschied?
- Was ist Fracking in konventionellen Lagerstätten?
Der Begriff konventionelle Lagerstätten bezeichnet geologische Bereiche, in denen sich Kohlenwasserstoffe in durchlässigen Speichergesteinen angesammelt haben. So kann man Erdgas auch ohne den Einsatz von Fracking gewinnen. Um mehr Gas fördern zu können, wird auch in diesen Lagerstätten teilweise gefrackt. Dieses Vorgehen fällt nicht unter das gesetzliche Fracking-Verbot und wurde in Deutschland seit den sechziger Jahren etwa dreihundertmal angewandt. - Was ist Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten?
Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs „nicht konventionelle Lagerstätten“. Die damit gemeinten Gesteinsschichten sind meist weniger durchlässig als die in konventionellen Lagerstätten. Um das darin enthaltene Gas trotzdem fördern zu können, muss das Gestein deshalb zuerst mittels Fracking aufgebrochen werden. Das Fracking findet in der Regel in Tiefen zwischen 1000 und 5000 Metern statt. Da es sich bei den Gesteinsschichten meist um Schiefer handelt, nennt man das geförderte Erdgas auch Schiefergas.
Diese Seite betrachtet im Folgenden ausschließlich Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten.
Könnte Fracking in Deutschland helfen?
Wie viel Erdgas kann man in Deutschland fördern?
In Deutschland sind nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ungefähr 320 bis 2.030 Milliarden Kubikmeter Erdgas vorhanden.[1] Fachleute schätzen, dass etwa 5 bis 10 Milliarden Kubikmeter dieses Gases tatsächlich förderbar sind.[2] Das wären ungefähr 6 bis 12 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs im Jahr 2022. Um zu klären, wie hoch das Gasvorkommen tatsächlich ist, müssten zunächst sogenannte Explorationsbohrungen vorgenommen werden.
Kann Fracking die Versorgungssicherheit in Deutschland erhöhen?
Die Gasmangellage in Deutschland und der EU hat sich zwar weitgehend entspannt. Es ist jedoch weiterhin denkbar, dass es in den kommenden Wintern wieder zu Versorgungsengpässen kommt. Wäre in Deutschland gefracktes Erdgas kurzfristig verfügbar, könnte es also die Versorgungssicherheit erhöhen. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass schon so bald Erdgas in Deutschland gefrackt werden kann.
Mittelfristig wird das Risiko einer Gasmangellage in der Europäischen Union und Deutschland hingegen voraussichtlich sinken. Zum einen reduzieren Maßnahmen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien und Effizienzsteigerungen den Bedarf an Erdgas.[3] Zum anderen zeigen Berechnungen, dass das Angebot an Flüssiggas am Weltmarkt ab 2026 rasch zunehmen könnte.[4] Es ist damit unwahrscheinlich, dass Fracking in Deutschland mittel- und langfristig zur Erhöhung der Versorgungssicherheit benötigt wird.
Langfristig werden in einem klimaneutralen System, das in Deutschland bis 2045 anvisiert wird, ohnehin keine fossilen Energieträger, wie Erdgas, mehr benötigt.
Was müsste geschehen, um in Deutschland fracken zu können?
Der Bundestag müsste zunächst das Fracking-Verbot aufheben. Dies wäre voraussichtlich mit einer intensiven gesellschaftlichen und politischen Debatte verbunden, da Fracking in Deutschland sehr umstritten ist.
Wenn das Verbot schließlich gekippt würde, würden die allgemeinen Regelungen des Berg- und Wasserrechts greifen. Diese müssten teilweise geprüft und vielleicht um Regelungen für Fracking ergänzt werden. Auch der europäische Rechtsrahmen müsste in diese Überlegungen einfließen.
Ab wann könnte Fracking in Deutschland stattfinden?
Nach Aufhebung des Fracking-Verbots könnten die erdgasfördernden Unternehmen die nötigen Verwaltungsverfahren zur Inbetriebnahme der Bohrstätten einleiten. Bis zum Start der Förderung würden im aktuellen Verwaltungsverfahren 5 bis 9 Jahre vergehen. Rechtsbehelfsverfahren könnten zu Verzögerungen führen.
Eine Verkürzung dieses Zeitraums auf 3 bis 4 Jahre wäre eventuell möglich, wenn die Genehmigungsprozesse verkürzt würden. Hierfür könnte man zum Beispiel die Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung senken. Dabei wäre teilweise offen, ob dieses Vorgehen mit EU-Recht vereinbar wäre und wie es sich auf die Akzeptanz in der Bevölkerung auswirken würde.
Wie teuer wäre in Deutschland gefracktes Erdgas?
Das kann man nicht genau sagen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Förderkosten zwischen 26 und 43 Euro pro Megawattstunde liegen würden.[5] Gleichzeitig schätzen Fachleute, dass die Erdgaspreise in Europa im Jahr 2030 zwischen 18 und 59 Euro pro Megawattstunde betragen könnten.[6] Erdgas aus Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten in Deutschland wäre im Vergleich zu importiertem LNG daher voraussichtlich nur wettbewerbsfähig, wenn sich die tatsächlichen Förderkosten am unteren Ende des Schätzbereichs bewegen würden.
Da die Förderdauer in Deutschland auf wenige Jahre bis Jahrzehnte begrenzt wäre, ist zudem offen, ob sich Fracking für die Unternehmen lohnen würde, da sie zunächst viel Geld in die Exploration und Erschließung der Bohrstätten investieren müssten.
Umweltrisiken von Fracking und Gesundheitsschäden
Drohen bei Fracking in Deutschland Umweltrisiken?
Gerade in der Anfangszeit des Frackings kam es in den USA teilweise zu großen Umweltschäden, die das öffentliche Bild der Technologie prägten. Mit der Einführung und Erhöhung von Umweltstandards konnten Risiken schließlich reduziert werden. Zudem hat sich die Technologie weiterentwickelt und ist sicherer geworden.
In Deutschland gelten in vielen Bereichen strenge Umweltanforderungen. Diese würden auch für das Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten gelten und über den internationalen Standard hinausgehen. Nach Einschätzung der Expertenkommission Fracking wären viele Umweltschäden bei Fracking in Deutschland vermeidbar.[7] Restrisiken sind jedoch nicht gänzlich auszuschließen.
Könnte Fracking in Deutschland Erdbeben verursachen?
In den vergangenen Jahren kam es in Einzelfällen in verschiedenen Gegenden der Welt zu teilweise erheblichen Erdbeben. Gemessen an der hohen Zahl an weltweit durchgeführten Fracking-Bohrungen sind solch heftige Erdbeben jedoch sehr selten.[8]
In Deutschland wird das Risiko, ein Erdbeben durch Fracking zu verursachen, als sehr gering eingeschätzt.[9] Erdbebenrisiken vollständig zu vermeiden ist jedoch auch bei Anwendung hoher Standards nicht möglich. Die Expertenkommission Fracking empfiehlt ein detailliertes Monitoring, damit Fracking-Maßnahmen bei auftretender Seismizität frühzeitig reduziert oder eingestellt werden können.[10]
Verschmutzt Fracking das Wasser?
Das Risiko für die Verschmutzung des oberflächennahen Grundwassers und der Oberflächengewässer durch Fracking tief liegender Erdgaslagerstätten (> 1.000 m) wird als gering eingeschätzt.[11] Es gibt weltweit bisher keine Nachweise dafür, dass Frac-Fluide oder Lagerstättenwasser oberflächennahes Grundwasser verschmutzt haben.[12] Dieses Risiko kann jedoch nicht für alle Geosysteme ausgeschlossen werden.
Die größten negativen Auswirkungen für das Grundwasser und die Oberflächengewässer gehen von der Arbeit mit wassergefährdenden Chemikalien an der Erdoberfläche aus.[13] Strenge Kontrollen vor, während und nach der Bohrung könnten Risiken minimieren. Auch ist es wichtig, das Recycling bzw. die Entsorgung der anfallenden Flüssigkeiten zu gewährleisten.
Wie hoch ist der Wasserverbrauch beim Fracking?
Pro Bohrung werden bis zu 19.000 Kubikmeter Wasser benötigt, also ungefähr so viel, wie sieben olympische Schwimmbecken fassen.[14] Der genaue Verbrauch variiert je nach Lagerstätte, Fracking-Methode und Anzahl der Fracs.
Zwar machen die beim Fracking nicht konventioneller Lagerstätten benötigten Wassermengen damit in der Regel nur einen sehr kleinen Anteil des regionalen Wasserverbrauchs aus. In der Vergangenheit kam es dennoch in einzelnen (wasserärmeren) Regionen der USA zu sogenanntem Wasserstress durch Fracking.[15]
Ob und inwiefern der Wasserverbrauch beim Fracking potenzielle Wasserknappheit in Deutschland verschärfen könnte, müsste noch erforscht werden, falls sich Deutschland zum Fracking entschließen würde. Klar ist: Mit fortschreitendem Klimawandel werden hohe Wasserverbräuche relevanter. Fracking könnte zunehmend in Konkurrenz zum landwirtschaftlichen Bewässerungsbedarf stehen, der durch steigende Temperaturen und längere Trockenperioden in Zukunft zunehmen wird.
Ist Fracking gesundheitsschädlich?
Noch ist unklar, ob Fracking gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen hat, die sich in räumlicher Nähe zu Frackingstätten befinden. Epidemiologische Studien, die insbesondere aus den USA vorliegen, zeigen zwar Zusammenhänge zwischen der Entwicklung nicht konventioneller Erdgas- bzw. Erdöllagerstätten und gesundheitlichen Effekten.[16] Allerdings weiß man bisher nicht, ob das Fracking wirklich die Ursache für diese Effekte ist.[17] Es besteht also noch Forschungsbedarf.
Wie hoch sind die durch Fracking verursachten Methanemissionen?
Bei der Förderung und Verarbeitung von Erdgas entweicht in der Regel ein Anteil des Erdgases in die Atmosphäre. Da Erdgas (Methan) ein starkes Treibhausgas ist, ist der Anteil dieser Methanemission besonders relevant.
Die Methanemissionen von Fracking in nicht konventionellen Lagerstätten liegen in der gleichen Größenordnung wie die der Erdgasförderung in konventionellen Lagerstätten.[18] Denn der weit überwiegende Teil der Methanemissionen (circa 99 Prozent) entsteht nicht bei der Exploration, sondern während Produktion, Prozessierung, Lagerung und Transport sowie Verteilung. Um die Methanemissionen zu senken, müssen in allen diesen Bereichen Emissionen reduziert werden. Ein bedeutender Schritt wäre es zunächst, Messverfahren zu verbessern, um genauer zu wissen, wieviel Methan überhaupt ausgestoßen wird. Denn: Die Angaben in der internationalen Fachliteratur variieren stark und auch für Deutschland gibt es verschiedene Schätzungen.[19]
Würde sich Fracking in Deutschland auf die Klimaziele auswirken?
Diese Frage kann man zu diesem Zeitpunkt nicht abschließend beantworten. Es gibt verschiedene Aspekte, die zu beachten sind:
- In Deutschland gefracktes Gas hätte einen niedrigeren CO2-Fußabdruck als importiertes LNG. Grund hierfür ist der wegfallende Transport, der energieintensiv ist.
- Umweltstandards sind in Deutschland vergleichsweise hoch. Methanemissionen könnten bei Fracking in Deutschland also niedriger sein als bei der Förderung in anderen Ländern.
- In Deutschland gefracktes Gas käme zusätzlich auf den Weltmarkt. Das könnte einerseits dafür sorgen, dass Kohle schneller durch das CO2-ärmere Erdgas ersetzt wird. Andererseits besteht die Gefahr, dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe mittel- und langfristig zunimmt.
Zum Nachlesen
Quellen
[1] BGR 2016, S. 86.
[2] ESYS 2023, S. 5.
[3] Ariadne 2022, S. 26.
[4] IEEFA 2023.
[5] EWI 2019, S. 22.
[6] EWI 2022, S. 3.
[7] Expertenkomission Fracking 2021.
[8] Baisch et al. 2021, S. 152.
[9] Expertenkommission Fracking 2021, S. 24; BGR 2016, S. 173.
[10] Expertenkommission Fracking 2021., S. 12ff.
[11] Expertenkommission Fracking 2021, S. 22.
[12] Denneborg et al. 2021, S. 12.
[13] ebd., S.87.
[14] ebd., S. 71; IOGP 2014; Raimi 2020; Kondash und Vegosh 2015.
[15] Denneborg et al. 2021, S. 71; Kondash et al. 2018.
[16] Hayes 2019; Haluszczcak et al. 2013; Li et al. 2022.
[17] Wollin et al. 2020, S. 1007.
[18] Kahn et al. 2020, S. 32 ff.
[19] ebd., S. 11; BGR 2020.
Die Ursprungspublikation mit weiteren Quellen findet sich hier.