Was sind negative Emissionen – und machen sie Deutschland klimaneutral?
Immer wieder sieht man in den Medien etwas über „CO2-Staubsauger“, mit denen Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Luft gefiltert wird. Das CO2 soll dann dauerhaft gespeichert oder umgewandelt werden, zum Beispiel in Treibstoff. Ist das also die Lösung unserer Probleme? Müssen wir dann noch Treibhausgas-Emissionen einsparen? Und sollten wir diese Verfahren überhaupt einsetzen? Diese Themenseite gibt einen Überblick über die Themen CO2-Entnahme und negative Emissionen. Sie basiert auf dem „Kurz erklärt“ „Was sind negative Emissionen, und warum brauchen wir sie?“.
Was sind negative Emissionen und wie groß ist ihr Potenzial?
Was sind negative Emissionen?
Wenn CO2 oder andere Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, bezeichnet man das als Emissionen. Mit verschiedenen Methoden kann eine gewisse Menge an CO2 aber auch wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Dann spricht man von negativen Emissionen.
Es ist wichtig, sorgfältig zwischen Brutto- und Netto-Emissionen zu unterscheiden: Brutto positive Emissionen bezeichnen die in die Atmosphäre gelangenden Treibhausgase. Brutto negative Emissionen meinen die Menge an Treibhausgasen, die der Atmosphäre entzogen werden. Die Netto-Emissionen ergeben sich aus der Differenz: Werden mehr Treibhausgase entfernt als ausgestoßen, sind die Netto-Emissionen negativ – der Treibhausgasgehalt in der Atmosphäre sinkt.
Warum brauchen wir negative Emissionen?
Um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, ist laut Weltklimarat globale Treibhausgasneutralität zwischen 2070 und 2100 erforderlich. Das heißt, spätestens zu diesem Zeitpunkt müsste weltweit genau so viel CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, wie Treibhausgase emittiert werden – man spricht auch von Netto-Null-Emissionen.
Gar keine Treibhausgase auszustoßen, wird beispielsweise in der Landwirtschaft nicht möglich sein. Diese unvermeidbaren Emissionen müssen daher durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre wieder ausgeglichen werden. Diese negativen Emissionen können die Abkehr von fossilen Energieträgern und die Reduktion des Energieverbrauchs keinesfalls ersetzen, sind aber eine notwendige Ergänzung.
Ab wann brauchen wir negative Emissionen?
Um zwischen 2070 und 2100 weltweit Treibhausgasneutralität zu erreichen, muss die CO2-Entnahme schon vor 2050 beginnen. Dafür muss der Hochlauf der CO2-Entnahme-Technologien möglichst bald an Fahrt aufnehmen.
Damit wir das 1,5°-Ziel erreichen, muss dann der Atmosphäre in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mehr CO2 entzogen werden, als ausgestoßen wird. Das liegt daran, dass wir unsere Emissionen bis 2050 voraussichtlich nicht schnell genug reduzieren können – das zeigen verschiedene Szenarien des Weltklimarats. Je schneller uns der Umstieg auf erneuerbare Energien gelingt und wir die Nutzung fossiler Rohstoffe beenden, desto weniger negative Emissionen sind aber nötig, um Ausgleich zu schaffen.
Wie viele Emissionen können wir mit negativen Emissionen kompensieren?
Verschiedene Nutzungskonkurrenzen begrenzen, wie viel CO2-Entnahme möglich ist: So konkurrieren etwa verschiedene CO2-Aufnahmeverfahren, die auf Pflanzen angewiesen sind, miteinander und mit der Landwirtschaft um Flächen. Technische Verfahren wie Direct Air Capture haben einen hohen Energiebedarf – auch diese Energie fehlt dann möglicherweise an anderer Stelle.
Daher könnten Schätzungen zufolge in Deutschland selbst unter besten Bedingungen nur etwa 120-160 Megatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden. In den meisten Szenarien beträgt die CO2-Entnahme für ein klimaneutrales Deutschland 2045 nur 40-80 Megatonnen. Zum Vergleich: 2020 hat Deutschland insgesamt etwa 762 Megatonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgas emittiert. Die CO2-Entnahme kann also das Einsparen von CO2 nicht ersetzen.
Ist eine CO2-Entnahme genauso gut wie eine CO2-Vermeidung?
In vielen Bereichen wissen wir, wie wir Emissionen vermeiden können und haben dafür einsatzbereite Technologien: etwa den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Umstieg auf Elektromobilität und Wärmepumpen, und das Einsparen von Energie, zum Beispiel durch Wärmedämmung.
Demgegenüber sind die Potenziale von CO2-Entnahmeverfahren viel unsicherer. Es gibt noch erheblichen Forschungsbedarf zu möglichen Umweltfolgen, Risiken und Kosten der verschiedenen Entnahmeverfahren. Klar ist bereits jetzt: wir können nur einen kleinen Teil von dem CO2, das wir heute ausstoßen, mit negativen Emissionen kompensieren.
Bei allen Verfahren gilt außerdem: Es wird noch lange dauern, bis sie in nennenswertem Umfang zum Klimaschutz beitragen können – und auch dann wird ihr Potenzial begrenzt sein.
Was ist mit anderen Treibhausgasen, zum Beispiel Methan?
Neben CO2 gibt es weitere Treibhausgase, die eine große Rolle für den Klimawandel spielen: etwa Methan und Lachgas aus Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Während es für alle Treibhausgase Ansätze zur Emissionsvermeidung gibt, werden Entnahmeverfahren bisher nur für CO2 entwickelt. Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen also auch die Emissionen dieser Gase durch CO2-Entnahme ausgeglichen werden.
Dabei ist zu beachten: Nicht jedes Gas trägt in der Atmosphäre gleich stark zum Treibhauseffekt bei. Methan wirkt in den ersten 100 Jahren etwa 27- bis 30-mal so stark wie CO2, Lachgas sogar 273-mal so stark. Zum Ausgleich eines emittierten Kilogramms an Lachgas müssen also 273 Kilogramm CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Man spricht hier auch von 273 CO2-Äquivalenten.
Welche Möglichkeiten gibt es, um negative Emissionen zu erzielen?
Welche Verfahren zur CO2-Entnahme und -Speicherung gibt es?
- Das bekannteste Verfahren für die Erzeugung negativer Emissionen ist Aufforstung: Bäume nehmen CO2 aus der Luft auf und speichern den Kohlenstoff im Holz.
- Beim Bauen mit Holz statt Beton oder Stahl bleibt der Kohlenstoff weiterhin über viele Jahrzehnte gebunden und neue CO2-Emissionen werden vermieden.
- Spezielle landwirtschaftliche Methoden können dafür sorgen, dass sich Kohlenstoff im Boden anreichert.
- Mineralien, die fein zermahlen auf landwirtschaftlichen Flächen verteilt werden, binden beim Verwittern CO2.
- Biomasse aus Pflanzen, die mittels Photosynthese CO2 aufgenommen haben, kann auf zwei Arten zu negativen Emissionen beitragen: Durch Erhitzen der Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff entsteht eine Art Holzkohle. Diese sogenannte Biokohle oder Pflanzenkohle kann dann in den Boden eingearbeitet werden.
- Alternativ kann die Biomasse zur Energiegewinnung verbrannt und das entstehende CO2 abgeschieden und im Untergrund verpresst werden (Bioenergy with Carbon Capture and Storage).
- Eine Verpressung im Untergrund ist auch für CO2 möglich, das durch technische Anlagen direkt aus der Luft der Atmosphäre gefiltert wurde (Direct Air Carbon Capture and Storage).
Welches Verfahren zur Erzeugung negativer Emissionen ist das beste?
Alle Methoden zur CO2-Entnahme und -Speicherung haben Vor- und Nachteile und eignen sich für verschiedene Regionen unterschiedlich gut. Deshalb wird wahrscheinlich ein Mix aus mehreren Verfahren nötig sein. Manche Verfahren lassen sich auch kombinieren, um den Kohlenstoff effizient zu nutzen und möglichst lange aus der Atmosphäre fernzuhalten.
Bei allen Optionen wird es jedoch noch lange dauern, bis sie in nennenswertem Umfang zum Klimaschutz beitragen können: Bei den technischen Verfahren müssen zunächst kommerzielle Anlagen entwickelt und dann in großem Umfang errichtet werden. Mit Aufforstung könnte zwar sofort begonnen werden, aber die CO2-Entnahme ist von der Wachstumsgeschwindigkeit der Bäume abhängig.
Welche Bedeutung haben Pflanzen und natürliche Kohlenstoffsenken für die Erzeugnung negativer Emissionen?
Was versteht man unter Kohlenstoffsenken?
Kohlenstoffsenken sind Reservoirs, die über einen langen Zeitraum hinweg Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und speichern. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Wälder. Kohlenstoffsenken wiederherzustellen und zu schützen ist ein wichtiges Element im Kampf gegen den Klimawandel.
Natürliche Kohlenstoffsenken sind dynamisch, das heißt ihr Speicher kann im Lauf der Zeit anwachsen, aber auch wieder schrumpfen. Gespeicherter Kohlenstoff würde dann wieder in die Atmosphäre entweichen.
Führt Aufforstung zu negativen Emissionen?
Bäume nehmen CO2 aus der Luft auf und speichern den Kohlenstoff im Holz. Der Vorteil: Bäume zu pflanzen erfordert keine komplizierten technischen Anlagen und ist vergleichsweise kostengünstig. Ein Nachteil ist der hohe Flächenbedarf: Laut Schätzungen müsste etwa ein Viertel der deutschen Landwirtschaftsflächen aufgeforstet werden, um allein die unvermeidlichen Emissionen von Deutschland auszugleichen.
Ein weiteres Problem: Durch Waldbrände, Dürren oder Schädlinge kann der in Bäumen gespeicherte Kohlenstoff wieder als CO2 in die Atmosphäre gelangen. Das Risiko solcher Ereignisse steigt mit fortschreitendem Klimawandel. Auch eine Nutzung des Holzes zur Energiegewinnung oder zur Herstellung kurzlebiger Produkte setzt das CO2 wieder frei.
Führt die Wiedervernässung von Mooren zu negativen Emissionen?
Moore speichern sehr viel Kohlenstoff in Torf und Torfmoosen. In den vergangenen Jahrhunderten wurden viele Moore trockengelegt, um die Flächen landwirtschaftlich nutzen zu können. In trockengelegten Mooren baut sich der Torfkörper ab, das setzt große Mengen CO2 frei: etwa fünf Prozent der weltweit jährlich vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. Die Wiedervernässung von Mooren kann diese Emissionen stoppen und ist somit eine CO2-Vermeidungsmaßnahme.
Negative Emissionen, also die zusätzliche Bindung von CO2, entstehen aber nur, wenn der Torfkörper wächst. Das geschieht sehr langsam und das Potenzial dafür wird als eher gering eingeschätzt. Kurzfristig könnte die Wiedervernässung auch zu zusätzlichen Methan- und Stickoxidemissionen führen und so die Erderwärmung zunächst beschleunigen. Der Erhalt der Moore als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten trägt aber auch zum Erhalt der Artenvielfalt und zum Wasserschutz bei.
Reicht es aus, wenn wir nur auf natürliche Kohlenstoffsenken setzen?
Wegen des hohen Flächenbedarfs wird es voraussichtlich nicht ausreichen, nur natürliche Kohlenstoffsenken für das Erzeugen negativer Emissionen zu nutzen. Allein um die unvermeidlichen Emissionen von Deutschland auszugleichen, müsste etwa ein Viertel der deutschen Landwirtschaftsflächen aufgeforstet werden – und das würde zu Nutzungskonflikten führen, etwa mit dem Anbau von Nahrungsmitteln.
Außerdem können wir uns bei natürlichen Kohlenstoffsenken nur bedingt darauf verlassen, dass das CO2 dauerhaft gespeichert bleibt: Mit fortschreitendem Klimawandel steigt das Risiko für Waldbrände, Dürren und Schädlinge, die das CO2 wieder freisetzen können. Deshalb werden auch neuartige Verfahren zur CO2-Entnahme und -Speicherung benötigt werden, insbesondere auch die geologische Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage).
Die Ursprungspublikation und alle Quellen finden sich hier.