Sind Blackouts in Deutschland wahrscheinlich?
Viele Menschen denken bei dem Begriff Blackout an Katastrophenszenarien aus Büchern, Filmen und Serien: Durch einen mehrwöchigen europaweiten Stromausfall bricht in diesen Szenarien die öffentliche Ordnung weitestgehend zusammen.
Zwei Feststellungen sind deshalb wichtig, wenn man über Blackouts spricht: 1. Nicht jeder Stromausfall ist ein Blackout – auch wenn im normalen Sprachgebrauch oft nicht unterschieden wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn nicht jede Unterbrechung der Stromversorgung ist mit den Konsequenzen verbunden, an die manche beim Begriff Blackout denken.
2. Selbst wenn es zu einem Blackout käme, würde dieser nicht gleich ganz Europa „lahmlegen“. Dafür müssten viele unglückliche Umstände und Fehler zusammentreffen. Fachleute schätzen das Risiko für einen derart katastrophalen Blackout als extrem unwahrscheinlich ein – selbst für kürzere und regional begrenzte Blackouts und auch unter den verschärften Rahmenbedingungen der derzeitigen Energiekrise.
Was ist ein Blackout?
Es gibt keine einheitliche Definition dafür, ab welcher räumlichen Ausdehnung und Dauer man von einem Blackout spricht. Konsens ist aber, dass die folgenden drei Merkmale gleichzeitig erfüllt sein müssen:
- Der Stromausfall ist so großflächig, dass das betroffene Gebiet nicht mehr ausreichend durch die nicht betroffenen angrenzenden Gebiete versorgt werden kann.
- Der Stromausfall dauert so lang, dass gravierende gesellschaftliche und ökonomische Folgen entstehen.
- Der Stromausfall ist ungeplant: Die für die sichere Stromversorgung zuständigen Netzbetreiber verlieren zumindest eine Zeitlang die Kontrolle über das Geschehen im Stromnetz.
Einen Blackout in diesem Sinne hat es in Nachkriegsdeutschland bisher nicht gegeben.
Welche Folgen hätte ein Blackout?
Sollte ein Blackout eintreten, hätte er – abhängig von seiner Dauer und räumlichen Ausdehnung – mitunter gravierende Folgen für die Gesellschaft. Diese treten jedoch nicht bei kurzen und räumlich begrenzten Stromausfällen auf. Ein Blackout hätte je nach zeitlicher Dauer und Größe des betroffenen Gebietes diese möglichen Folgen:
- Todes- und Verletztenzahlen können steigen, weil Rettungsdienste oder die Polizei aufgrund entladener Mobilfunkgeräte nicht gerufen werden können.
- Nahrungsmittel für Kleinkinder sind eventuell nur noch eingeschränkt verfügbar.
- Es können beträchtliche ökonomische Verluste entstehen (z.B. durch Produktionsausfälle). Ein deutschlandweiter Stromausfall würde Schätzungen zufolge einen Schaden von 0,6–1,3 Mrd. Euro pro Stunde verursachen.
- Krankenhäuser verfügen zwar über eine Notstromversorgung, nach mehr als 24 Stunden wären die meisten Krankenhäuser jedoch nur noch bedingt handlungsfähig und müssten Patient*innen in Krankenhäuser verlegen, die die Notstromversorgung länger aufrechterhalten können.
- Die Lebensmittelversorgung wäre nach mehr als 24 Stunden merklich eingeschränkt.
- Bei einem mehrtägigen Stromausfall käme es zu gehäuften Todesfällen in Pflegeheimen – unter anderem weil Pflegekräfte nicht mehr zur Arbeit kommen können, die Versorgung mit Medikamenten eingeschränkt ist und Bewohner*innen unterkühlt sind.
- In landwirtschaftlichen Betrieben würde nach einigen Tagen ein Massensterben von Nutztieren beginnen.
Selbst wenn die Stromversorgung nach einigen Tagen wieder funktionieren würde, könnten gravierende Folgen für die Gesellschaft auch lange nach der Störung bestehen bleiben, weil die Schäden des Blackouts nicht sofort behoben werden könnten.
Was unterscheidet einen Blackout von anderen Stromausfällen?
Mehrstündige Stromausfälle, die auf ein kleines Gebiet, zum Beispiel wenige Straßenzüge, beschränkt sind, treten fast täglich irgendwo in Deutschland auf. Ihre Ursache können zum Beispiel durch Bauarbeiten beschädigte Kabel sein. Diese kleineren Stromausfälle treffen den Einzelnen aber selten und bleiben meist vom nicht betroffenen Teil der Bevölkerung unbemerkt.
Auch sie verursachen Komforteinbußen und in gewissem Umfang auch wirtschaftliche Verluste. Ihre Folgen sind aber überschaubar und nicht mit denen eines Blackouts vergleichbar. Angrenzende Gebiete können die Versorgung mit Gütern und Leistungen wie Gesundheitsversorgung ohne besondere Schwierigkeiten leisten.
Was ist ein Brownout?
Wenn der Strombedarf höher ist als das Stromangebot, können die Netzbetreiber kontrolliert einen Teil der Verbraucher „abschalten“. Unter anderem in diesem Fall spricht man von einem Brownout. Dieses Vorgehen könnte nötig werden, wenn ein großer Teil der Kraftwerke gleichzeitig nicht mit Brennstoff versorgt werden kann. Bisher ist ein solcher Fall in Deutschland nicht aufgetreten.
Eine große Zahl von Industrieunternehmen hat solche Abschaltmöglichkeiten in ihren Stromlieferverträgen festgeschrieben: Die Netzbetreiber würden zuerst diese Großverbraucher regional und zeitlich begrenzt vom Netz nehmen.
Was ist eine rollierende Abschaltung?
Reicht die Abschaltung einzelner Großabnehmer nicht aus, um das Netz zu stabilisieren, können die Netzbetreiber eine „rollierende Abschaltung“ vornehmen. Das bedeutet, dass sie abwechselnd, zeitlich vorab klar begrenzte mehrere Gebiete vom Netz trennen. Auch dies ist eine Form des Brownouts.
Je nach Ursache könnte man die betroffenen Verbraucher vorwarnen, damit sie sich vorbereiten. In solchen Fällen behält der Netzbetreiber durchgehend die Kontrolle über das Geschehen im Netz und kann die Versorgung auch problemlos wieder aufnehmen. Eine Unterversorgung mit wichtigen Gütern oder Dienstleistungen ist in solchen Fällen nicht zu befürchten.
Welche Ursachen für Blackouts und andere Stromausfälle bestehen?
Es gibt verschiedene mögliche Ursachen für Blackouts und andere große Stromausfälle, unter anderem:
- Gleichzeitiges technisches Versagen einer Vielzahl von Betriebsmitteln der Stromversorgung (Leitungen, Transformatoren, Schaltanlagen, Kraftwerke)
- Naturereignisse in Form von Wetterextremen
- hohe Krankenstände aufgrund einer Pandemie
- menschliches Versagen und bösartige Aktivitäten wie Sabotage, Terrorismus oder Kriege
Bei all diesen Ursachen (abgesehen von Krieg) würde sich ein Stromausfall nur dann zu einem mehrtägigen überregionalen Blackout ausweiten, wenn noch weitere unglückliche Umstände oder Fehler hinzukommen und die Stabilisierung des restlichen Netzes und den Netzwiederaufbau verhindern.
Gab es in Europa schon große Stromausfälle?
Im europäischen Verbundnetz gab es unter anderem 2003 und 2006 gravierende Stromausfälle. Im Jahr 2003 waren sogar 95 Prozent Italiens mehrere Stunden ohne Strom. Menschliches Versagen spielte in beiden Fällen eine wesentliche Rolle. In Deutschland konnten im Jahr 2005 Strommasten in Münster den Schnee auf den Leitungen nicht mehr tragen – die Menschen in der Region waren zum Teil mehrere Tage ohne Strom. Ein Cyber-Angriff führte in der Ukraine im Jahr 2015 zu einem mehrstündigen Stromausfall, von dem mehrere hunderttausend Menschen betroffen waren.
Aber: in all diesen Fällen kam es aufgrund der kürzeren Dauer (z.B. Europa 2006, Ukraine 2015 jeweils wenige Stunden) oder der begrenzten Region (Münster 2005) nicht zu den drastischen Folgen eines Blackouts, die manche aus Serien und Büchern im Kopf haben.
Wie ist Deutschland auf einen möglichen Blackout vorbereitet?
Im Falle eines Stromausfalls versuchen die Netzbetreiber, die Destabilisierung weiterer Teile des Netzes zu verhindern und die Versorgung im betroffenen Gebiet schnellstmöglich wiederherzustellen. Die notwendigen Maßnahmen sind in Netzwiederaufbauplänen festgelegt, verschiedene Störungsszenarien werden durch regelmäßige Übungen trainiert.
Bereits vor der aktuellen Energiekrise hat der Katastrophenschutz empfohlen, für den Fall eines längeren Stromausfalls unter anderem Trinkwasser, eine Taschenlampe, Batterien und ein batteriebetriebenes Radio im Haus zu haben. Damals hat man diese Empfehlung aber weniger diskutiert und beachtet.
Ist ein Blackout aufgrund der Energiekrise zu befürchten?
Aktuell ist in Deutschland das Risiko eines Blackouts aufgrund einer Unterversorgung mit Energie gering. Selbst im Worst Case, also wenn mehr Strom benötigt würde, als geliefert würde, würde dies nicht zu einem Blackout führen. Die Netzbetreiber wüssten im Regelfall spätestens 24 Stunden vorher von der Mangellage und würden dann vorausschauend geplant zunächst wenige industrielle Großverbraucher abschalten (Brownout) und in einem nächsten Schritt rollierende Abschaltungen von Netzgebieten vornehmen. So könnten sie Blackouts vermeiden.
Auch solche geplanten Abschaltungen sind hochgradig unerwünscht und sollten nur eine Notlösung sein. Ziel der Energiepolitik muss es deshalb sein, dass Haushalte, Gewerbe und Industrie auch zukünftig mindestens so gut und sicher mit Strom versorgt werden können wie heute.
Erhöht die Energiewende das Risiko von Blackouts?
Der Umbau des Energiesystems ist nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern eröffnet auch eine Chance für die Erhöhung der Versorgungssicherheit: Der Ausbau der erneuerbaren Energien reduziert die Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger. Die Dezentralisierung der Energieversorgung verteilt externe Ausfallrisiken auf eine große Anzahl von Anlagen, macht damit die Versorgung weniger physisch angreifbar. Das verringert die potenziellen Folgen von Angriffen oder Sabotageakten auf beispielsweise Großkraftwerke oder Pipelines. Über den gezielten Einsatz von Digitalisierung ist es zudem möglich, genaue Informationen zum Zustand des Energiesystems zu erheben und in kritischen Situationen schneller und besser zu reagieren.
Es gibt aber auch Risiken, die im zukünftigen System relevanter werden, insbesondere im Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung. Die heutigen Gesetze und Verordnungen zur Sicherung der Stromverordnung gehen auf diese Veränderungen noch nicht ausreichend ein.
Was nun getan werden muss: https://energiesysteme-zukunft.de/resilienz-digitalisierter-energiesysteme