Ergebnisse im Überblick
In Kürze
- Rest- und Abfallstoffe können risikoarm energetisch verwendet werden. In Deutschland gibt es große Potenziale an Restholz, Stroh und tierischen Exkrementen. Energetisch aufbereitet könnten diese bis zu 17 Prozent des zukünftigen deutschen Primärenergiebedarfs decken.
- Für einen nachhaltigen Einsatz muss Bioenergie systemdienlich genutzt werden: Sie kann diejenigen Funktionen im Energiesystem übernehmen, für die andere Erneuerbare ungeeignet sind. Bioenergie könnte beispielsweise Schiffe und Flugzeuge antreiben oder Wärme für Industrieprozesse liefern.
- Klimamodelle zeigen, dass der Atmosphäre künftig CO2 entnommen werden muss, um die Pariser Klimaziele zu erreichen Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um solche „negativen Emissionen“ zu erzeugen. Eine Option ist, Kohlendioxid in Bioenergieanlagen abzuscheiden und dauerhaft unterirdisch zu speichern (BECCS). Dieser Ansatz sollte bei künftigen Einsatzgebieten der Bioenergie mitbedacht werden.
- Ein ausreichend hoher CO2-Preis und Zertifizierungssysteme können sicherstellen, dass Bioenergie dem Klima nützt. Sie sind am wirksamsten, wenn nicht nur Bioenergieträger, sondern alle landwirtschaftlichen Produkte darin einbezogen werden.
Treibhausgasbilanz von Bioenergie
Schon heute deckt Bioenergie ein Zehntel des Energiebedarfs in Deutschland. Biomasse wird jedoch nicht nur für die Energieversorgung benötigt, sondern auch zur Herstellung von Materialien, Nahrungs- und Futtermitteln. Da die Weltbevölkerung weiter wächst, steigt der Bedarf an Biomasse – und damit auch die Konkurrenz um begrenzte Landflächen.
Wird die Landnutzung durch den Menschen weiter ausgeweitet oder intensiviert, steigt der Druck auf Umwelt und Natur. Bioenergie muss daher unbedingt so erzeugt und genutzt werden, dass sie möglichst geringe Treibhausgasemissionen verursacht, die Artenvielfalt nicht gefährdet und die Qualität von Böden und Gewässern nicht verschlechtert.
Beim Anbau von Agrarpflanzen stellen Lachgasemissionen aus der Stickstoffdüngung die größte Emissionsquelle dar. Aber auch Änderungen in der Landnutzung können erheblich zum Klimawandel beitragen, insbesondere wenn Wälder durch Agrarland ersetzt werden. Denn Wälder speichern in Vegetation und Boden viel mehr Kohlenstoff als Äcker und Weideland. Führt der Anbau von Energiepflanzen dazu, dass Agrarflächen in anderen Gegenden – oft im nichteuropäischen Ausland – ausgeweitet werden, spricht man von indirekten Landnutzungsänderungen. Da deren Ausmaß umstritten ist, können die durch Bioenergie verursachten Treibhausgasemissionen kaum zuverlässig abgeschätzt werden.
Waldholz und Agrarrohstoffe energetisch zu nutzen birgt also große ökologische Risiken. Stattdessen sollte Bioenergie vor allem aus Rest- und Abfallstoffen produziert werden. Würde man das ungenutzte Potenzial an Restholz, Getreidestroh und tierischen Exkrementen heben und den Primärenergieverbrauch wie von der Bundesregierung angestrebt bis 2050 auf 2.000 Terawattstunden pro Jahr senken, könnten Rest- und Abfallstoffe 13 bis 17 Prozent der Primärenergie decken. Werden biobasierte Materialien schadstoffarm und recyclingfreundlich gestaltet, erleichtert das ihre anschließende energetische Verwertung (Kaskadennutzung).
Globale Potenziale
Biomasse wird auf den internationalen Märkten gehandelt. Die Bioenergienutzung in der Bundesrepublik hat somit globale Folgen. Schätzungen, wie groß die weltweit nachhaltig nutzbaren Bioenergiepotenziale in Zukunft sind, schwanken zwischen fünfzig Exajoule pro Jahr – das entspricht in etwa dem heutigen Verbrauch – und mehreren hundert Exajoule pro Jahr. Die Spannweite ist so groß, weil unklar ist, wie stark die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert werden können und inwiefern es ungenutztes degradiertes Agrar- und Weideland gibt, auf dem Energiepflanzen angebaut werden könnten.
Einen großen Einfluss auf die verfügbaren Flächen haben auch zukünftige Ernährungsweisen. So könnten mit einer rein pflanzlichen Ernährung weltweit etwa doppelt so viele Menschen von der gleichen Fläche ernährt werden wie heute. Würden weniger Fleisch und Milchprodukte konsumiert, könnte das die Konflikte zwischen Ernährungssicherheit, Bioenergie und Naturschutz entschärfen.
CO2-Entnahme
Szenarien des Weltklimarates (IPCC) zeigen, dass selbst eine sehr schnelle und weitreichende Reduktion der Treibhausgasemissionen allein nicht ausreichen wird, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Zusätzlich sind sogenannte „negative Emissionen“ erforderlich. Eine solche Möglichkeit, den CO2-Gehalt der Atmosphäre abzusenken, ist der Einsatz von Bioenergie mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (BECCS): Wird Biomasse energetisch genutzt, wird das dabei entstehende Kohlendioxid abgetrennt und dauerhaft unterirdisch gespeichert.
Neben BECCS gibt es weitere CO2-Entnahmetechnologien. Dazu zählen unter anderem:
- Aufforstung: Bäume nehmen CO2 auf und speichern den Kohlenstoff. Wird Holz geerntet und in langlebigen Produkten verbaut, kann das Speicherpotenzial erhöht werden.
- Biokohle: Verkohlte Biomasse wird im Boden gespeichert. Die Verkohlung verhindert, dass der Kohlenstoff als CO2 freigesetzt wird.
- Direct Air Capture: Kohlendioxid wird in technischen Anlagen mit chemischen Bindemitteln aus der Umgebungsluft aufgefangen, komprimiert und unterirdisch gelagert.
Während für Aufforstung, Biokohle und BECCS Anbauflächen benötigt werden, ist Direct Air Capture teurer, energieintensiv und logistisch aufwendig. Sowohl BECCS als auch Direct Air Capture erfordern die in Deutschland umstrittene CCS-Technologie. Voraussichtlich kann nur ein Technologiemix den Gesamtbedarf an negativen Emissionen decken. Soll BECCS einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Bioenergietechnologien gleichermaßen für die CO2-Abscheidung geeignet sind.
Klimapolitische Instrumente
Eine umfassende Bioenergiepolitik muss Energie-, Ressourcen- und Landnutzung integriert betrachten. Werden Rest- und Abfallstoffe künftig verstärkt energetisch genutzt, ergeben sich darüber hinaus enge Verknüpfungen zur Entsorgungswirtschaft. Die unterschiedlichen Instrumente in den einzelnen Politikbereichen müssen somit viel enger aufeinander abgestimmt werden als bisher.
Mit einem einheitlichen, ausreichend hohen CO2-Preis lassen sich die CO2-Emissionen der Bioenergie über den gesamten Lebenszyklus regulieren. Dieser muss alle Treibhausgase in allen Wirtschaftssektoren umfassen, insbesondere auch Emissionen aus der Landwirtschaft.
Alternativ oder ergänzend können diese Instrumente dazu beitragen, dass Bioenergie dem Klima nützt:
- Nationale oder EU-weite gesetzliche Regelungen können sicherstellen, dass in Deutschland produzierte Biomasse nachhaltig erzeugt wird.
- Alle Importe von Biomasse könnten zertifiziert werden. Neben Treibhausgasemissionen sollten die Zertifizierungen auch soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien umfassen.
- Um heimische und importierte Biomasse gleich zu behandeln, können die Treibhausgasemissionen von Importen mit einem Grenzsteuerausgleich versehen werden.
Eine Regulierung von Bioenergie allein kann jedoch weitere Entwaldung kaum verhindern, denn nur ein kleiner Teil der Agrarproduktion wird energetisch genutzt. Für einen effektiven Schutz der Wälder müssten diese Instrumente daher auf alle land- und forstwirtschaftlichen Produkte gleichermaßen angewendet werden.
Technologien
Im Energiesystem der Zukunft wird Bioenergie voraussichtlich anders genutzt als bisher. Aufgrund der begrenzten Biomassepotenziale sollte Bioenergie vor allem dort eingesetzt werden, wo andere erneuerbare Energien an ihre Grenzen stoßen. Indem sie die Schwächen von Wind- und Wasserkraft, Photovoltaik und Geothermie ausgleicht, kann sie einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten.
- Langfristig ist es sinnvoll, Biomasse vorwiegend zur Kraftstoffproduktion in Bereichen zu nutzen, in denen rein elektrische Antriebe nicht funktionieren, etwa im Flug-, Schiffs- oder Schwerlastverkehr.
- Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld ist die Bereitstellung von Prozesswärme in der Industrie, da Biomasse und Biogas auch bei hohen Temperaturen verbrannt werden können.
- In der Stromerzeugung sollte Bioenergie vor allem als Flexibilitätstechnologie dienen, zum Heizen sollte sie vorrangig in effizienten KWK-Anlagen genutzt werden.
Damit Bioenergie sowohl kurz- als auch langfristig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, sollten einerseits bestehende Technologien wie Biomethanerzeugung und Kraft-Wärme-Kopplung weiterentwickelt sowie andererseits neue Technologien wie BECCS und Bioraffinerien erforscht und erfolgreich demonstriert werden.
Entwicklungspfade
In welchen Bereichen die Bioenergie künftig eingesetzt wird, hängt vor allem von drei Entwicklungen ab.
- Erstens ist entscheidend, ob CCS als Teil der Klimaschutzstrategie akzeptiert wird. Lehnt die Gesellschaft dies ab, kann sie weder BECCS noch Direct Air Capture zur CO2-Entnahme nutzen. Stimmt sie dem Einsatz von CCS zu, muss zeitnah eine Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von Kohlendioxid aufgebaut werden.
- Zweitens ist offen, in welchem Umfang die Markteinführung von flüssigen Biokraftstoffen aus Lignozellulose (zum Beispiel Holz oder Stroh) gelingt. Um sie wettbewerbsfähig herzustellen, muss die Technologie für Bioraffinerien im industriellen Maßstab weiterentwickelt werden. Entscheidend ist zudem, wie sich die jeweiligen Märkte für Kraft- und Rohstoffe sowie Koppel- und Nebenprodukte entwickeln. Vielfach wird die Kraftstoffproduktion aus Lignozellulose erst in großen Anlagen wirtschaftlich – das widerspricht der heutigen dezentralen Bioenergienutzung.
- Der Ausbau von Infrastrukturen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) kann drittens dazu beitragen, Bioenergie flexibel zur Strom- und Wärmeerzeugung einzusetzen – sowohl in kleinen dezentraleren als auch in großen zentraleren Anlagen. Damit die Kraft-Wärme-Kopplung ihr volles Potenzial entfalten kann, müssen die Wärmenetze jedoch weiter ausgebaut und gefördert werden.
Rest- und Abfallstoffe können bereits kurz- bis mitelfristig verstärkt energetisch genutzt werden. Um sie effizient verarbeiten zu können, müssen die Anlagen technisch angepasst werden.
Wird Biogas zu Biomethan aufbereitet, kann es ins Erdgasnetz eingespeist und in allen Sektoren flexibel genutzt werden. Werden statt klassischer Energiepflanzen Rest- und Abfallstoffe sowie naturverträgliche Anbaukulturen (zum Beispiel Gräser) zu Biogas verarbeitet, verbessert sich die Umweltbilanz.
Umfassende Bioenergiestrategie
Da nicht für alle denkbaren Anwendungsfelder genügend Biomasse zur Verfügung steht, werden verschiedene Einsatzgebiete um die Biomassepotenziale konkurrieren. Eine umfassende Bioenergiestrategie muss sicherstellen, dass Bioenergie möglichst viel zum Klimaschutz und zu einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung beiträgt, Umwelt und Natur nicht belastet und gleichzeitig gesellschaftlich akzeptiert wird.
- Der Einsatz integrierter Modelle von Energie- und Landnutzungssystemen ermöglicht es, verschiedene Biomasseszenarien zu bewerten und abzuschätzen, inwiefern mit ihrer Hilfe die Klimaschutzziele erreicht werden können. Um die Modelle entsprechend weiterentwickeln zu können, müssen die Chancen und Risiken der Technologien zur CO2-Entnahme systematisch erforscht werden.
- Eine Plattform zur Diskussion der Transformationspfade könnte dabei helfen, Entwicklungspfade der Bioenergie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und einzuordnen. Sie sollte alle beteiligten Akteure an einen Tisch bringen: von Verbänden der Energie-, Land- und Forstwirtschaft über Umweltverbände und Verbraucherzentralen bis zu Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, Zivilgesellschaft und Bevölkerung.
- Ein systematisches Monitoring mit geeigneten Indikatoren könnte auf die verschiedenen Entwicklungspfade angewendet werden. Erkenntnisse aus der Diskussionsplattform zu den verschiedenen Bewertungsaspekten sollten darin einfließen. Das so geschaffene Systemwissen kann dazu beitragen, die Bioenergienutzung systemdienlich weiterzuentwickeln.
Entscheidend ist, in der Diskussion den immensen klimapolitischen Handlungsdruck im Blick zu behalten und zu kommunizieren. So stellen CO2-Entnahmetechnologien wie BECCS keinesfalls eine Alternative, sondern eine Ergänzung zu ambitionierten CO2-Vermeidungsstrategien dar. Verzichtet Deutschland etwa gänzlich auf CCS und CO2-Entnahmetechnologien, wird es schwerer, vor allem Industrieprozesse klimafreundlich zu gestalten und unvermeidbare Emissionen aus der Landwirtschaft zu kompensieren.