Energieszenarien in der Politikberatung

Anforderungen und Leitlinien

Energieszenarien haben großen Einfluss auf politische Entscheidungen. Umso wichtiger ist es, dass die Ergebnisse valide, transparent und ergebnisoffen sind. Dies ist in der Praxis jedoch nicht immer gegeben.

Einheitliche Standards können dazu beitragen, die Politikberatung auf Grundlage von Energieszenarien zu verbessern.

Ergebnisse im Überblick

In Kürze


  • Energieszenarien beschreiben – meist auf Basis mathematischer Modelle – mögliche Entwicklungspfade der Energieversorgung. Ein Beispiel: Wenn in den kommenden Jahrzehnten weiter so viele Privatautos mit fossilen Kraftstoffen fahren, sind die energiepolitischen Ziele von 40 bis 42 Prozent CO2-Einsparung im Verkehrssektor bis 2030 nicht zu erreichen. Zu schaffen wäre es zum Beispiel, wenn der Individualverkehr weitgehend elektrifiziert und der Strom gleichzeitig deutlich CO2-ärmer erzeugt werden würde.
  • Um das zu erreichen, müssen schon heute die Weichen gestellt werden: Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit Infrastrukturen wie Ladesäulen für Elektroautos oder Wasserstofftankstellen aufgebaut, innovative Antriebstechnologien entwickelt und einzelne Verkehrsträger miteinander vernetzt werden können.
  • Szenariostudien sollen solche energiepolitischen Entscheidungen abstützen. Um ihre Aussagekraft beurteilen zu können, müssen jedoch die verwendeten Daten, Annahmen und Unsicherheiten bekannt sein. Außerdem sollten die wichtigsten Ergebnisse verständlich formuliert sein.
  • Das Akademienprojekt ESYS empfiehlt deshalb verbindliche Standards für die Beauftragung und Erstellung von Energieszenarien. Diese sollten fester Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen sein. Auftraggeber und Wissenschaft – vertreten etwa durch wissenschaftliche Dachorganisationen – sollten sich dazu abstimmen.

Ausgangslage


Energieszenarien beschreiben auf Basis mathematischer Modelle mögliche Entwicklungspfade der Energieversorgung. Dafür werden Datensätze, Modelle und Annahmen über langfristige Trends genutzt. Ziel der Szenarien ist es, Orientierung für politische, gesellschaftliche und ökonomische Entscheidungen zu geben.

In der Regel formuliert dazu ein Auftraggeber – etwa ein Ministerium, ein Verband oder ein Unternehmen – eine energiepolitische Frage, die ein wissenschaftliches Institut oder Beratungsunternehmen mit einer Szenariostudie beantworten soll. Durch die Konzeption der (öffentlichen) Ausschreibung und die Vertragsgestaltung definiert der Auftraggeber die Rahmenbedingungen. Der Auftragnehmer wiederum ist für die Wahl der Methode und die Umsetzung der Studie zuständig. Für die Qualität einer Szenariostudie sind somit beide Seiten verantwortlich.

Indirekter Adressat von Szenariostudien ist die Öffentlichkeit, vertreten zum Beispiel durch zivilgesellschaftliche Organisationen und die Medien. Sie ist eine wichtige Kontrollinstanz und sollte am besten schon dann eingebunden werden, wenn die Fragestellungen für Szenariostudien entwickelt werden. Auf diesem Grundgedanken einer partizipativen Demokratie basieren die von der ESYS-Arbeitsgruppe formulierten Anforderungen an Energieszenarien.

Anforderungen


In Studien werden in der Regel mehrere Szenarien modelliert und ausgewertet, um möglichst viele Einflussgrößen zu berücksichtigen. Szenariostudien sollten wissenschaftlich valide, transparent und ergebnisoffen sein.

  • Valide ist eine Szenariostudie, wenn sie wissenschaftlich akzeptierte Methoden, Modelle und Daten verwendet, die dem Stand der Forschung entsprechen.
  • Transparenz setzt voraus, dass eine Studie vollständig veröffentlicht wird. Die Methodik und die Ergebnisse müssen dabei so dokumentiert werden, dass sie für die Zielgruppe der Studie verständlich und nachvollziehbar sind. Um die Ergebnisse überprüfen zu können, müssen unabhängige Fachleute sie nachrechnen können. Die erforderlichen Daten sollten mindestens einem Gutachterkreis zur Verfügung gestellt werden.
  • Ergebnisoffenheit bedeutet, dass Einflussnahmen seitens des Auftraggebers und anderer Akteure auf die Studie offengelegt werden und erläutert wird, wie sich dies auf die Ergebnisse und Schlussfolgerungen auswirkt.

 

Qualitätssicherung


Validität setzt voraus, dass eine wissenschaftliche Qualitätskontrolle möglich ist. Bislang findet diese in der Politikberatung mit Energieszenarien jedoch nur ansatzweise statt. 

  • Um sicherzustellen, dass eine Studie wissenschaftlich valide ist, könnten wichtige Teile  von Fachzeitschriften begutachtet und veröffentlicht werden (Peer-Review).
  • Alternativ könnte ein wissenschaftlicher Beirat (Advisory Board) die Erstellung von Szenariostudien begleiten und sie nach Fertigstellung begutachten.
  • Die Methoden, mit denen sich Unsicherheiten systematisch analysieren lassen, sollten weiterentwickelt und gezielt in die Arbeit an Energieszenarien eingebunden werden. Beispielsweise können Szenarien auf Basis gleicher Annahmen mit unterschiedlichen Modellen berechnet werden (Modellvergleichsrechnungen). Auch Metastudien und Sensitivitätsanalysen, in denen die Ergebnisse mehrerer Szenariostudien ausgewertet und verglichen werden, sollten in der Praxis häufiger eingesetzt werden.

Transparenz


Transparenz ist eine Schlüsselanforderung. Viele beauftragte Institute legen die Quelltexte ihrer Modelle allerdings nicht offen, weil sie zu ihrem Betriebskapital gehören.

  • Frei verfügbare Open-Source-Modelle würden maximale Transparenz schaffen. Viele Institute schränken die Nutzungsrechte ihrer Energiedaten jedoch ein. Daher sollte EU-weit festgeschrieben werden, dass veröffentlichte Energiedaten grundsätzlich für die Szenarien-Modellierung freigegeben sind.
  • Alternativ sollten Daten und Algorithmen einem externen Gutachterkreis zur Verfügung gestellt werden, der überprüfen kann, ob die Ergebnisse plausibel sind.
  • Würden öffentliche Institutionen einheitliche Referenzdaten und -annahmen zur Verfügung stellen, ließen sich unterschiedliche Energieszenarien besser miteinander vergleichen. Ressortforschungseinrichtungen wie das Umweltbundesamt könnten diese Daten erheben und pflegen. Alternativ könnte dazu eine Plattform eingerichtet werden, um Modelle für Energieszenarien systematisch zu vergleichen.
  • Verbindliche Standards für öffentlich geförderte Studien sollten als formaler Bestandteil von Ausschreibungen etabliert werden. Ein Institut, das mit einer Szenariostudie beauftragt werden soll, müsste sich somit dazu bereiterklären, die Daten und Ergebnisse zwei Jahre lang für Metastudien zur Verfügung zu stellen.
  • Die aus den Modellrechnungen abgeleiteten Schlussforderungen für die Energiepolitik sollten allgemeinverständlich erklärt und begründet werden. So leisten Szenarien einen legitimen Beitrag zur demokratischen Entscheidungsfindung.

Ergebnisoffenheit


Auftragnehmer und Auftraggeber sollten Ergebnisoffenheit einfordern und aktiv fördern. Dazu sollten alle Festlegungen, die eine ergebnisoffene Analyse einschränken könnten, offengelegt und plausibel begründet werden.

Dies gilt sowohl für die Rolle der beteiligten Akteure (insbesondere des Auftraggebers) als auch für die getroffenen Szenarioannahmen und die Auswahl des Rechenmodells.

In Kürze

  • Energieszenarien beschreiben – meist auf Basis mathematischer Modelle – mögliche Entwicklungspfade der Energieversorgung. Ein Beispiel: Wenn in den kommenden Jahrzehnten weiter so viele Privatautos mit fossilen Kraftstoffen fahren, sind die energiepolitischen Ziele von 40 bis 42 Prozent CO2-Einsparung im Verkehrssektor bis 2030 nicht zu erreichen. Zu schaffen wäre es zum Beispiel, wenn der Individualverkehr weitgehend elektrifiziert und der Strom gleichzeitig deutlich CO2-ärmer erzeugt werden würde.
  • Um das zu erreichen, müssen schon heute die Weichen gestellt werden: Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit Infrastrukturen wie Ladesäulen für Elektroautos oder Wasserstofftankstellen aufgebaut, innovative Antriebstechnologien entwickelt und einzelne Verkehrsträger miteinander vernetzt werden können.
  • Szenariostudien sollen solche energiepolitischen Entscheidungen abstützen. Um ihre Aussagekraft beurteilen zu können, müssen jedoch die verwendeten Daten, Annahmen und Unsicherheiten bekannt sein. Außerdem sollten die wichtigsten Ergebnisse verständlich formuliert sein.
  • Das Akademienprojekt ESYS empfiehlt deshalb verbindliche Standards für die Beauftragung und Erstellung von Energieszenarien. Diese sollten fester Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen sein. Auftraggeber und Wissenschaft – vertreten etwa durch wissenschaftliche Dachorganisationen – sollten sich dazu abstimmen.

Ausgangslage

Energieszenarien beschreiben auf Basis mathematischer Modelle mögliche Entwicklungspfade der Energieversorgung. Dafür werden Datensätze, Modelle und Annahmen über langfristige Trends genutzt. Ziel der Szenarien ist es, Orientierung für politische, gesellschaftliche und ökonomische Entscheidungen zu geben.

In der Regel formuliert dazu ein Auftraggeber – etwa ein Ministerium, ein Verband oder ein Unternehmen – eine energiepolitische Frage, die ein wissenschaftliches Institut oder Beratungsunternehmen mit einer Szenariostudie beantworten soll. Durch die Konzeption der (öffentlichen) Ausschreibung und die Vertragsgestaltung definiert der Auftraggeber die Rahmenbedingungen. Der Auftragnehmer wiederum ist für die Wahl der Methode und die Umsetzung der Studie zuständig. Für die Qualität einer Szenariostudie sind somit beide Seiten verantwortlich.

Indirekter Adressat von Szenariostudien ist die Öffentlichkeit, vertreten zum Beispiel durch zivilgesellschaftliche Organisationen und die Medien. Sie ist eine wichtige Kontrollinstanz und sollte am besten schon dann eingebunden werden, wenn die Fragestellungen für Szenariostudien entwickelt werden. Auf diesem Grundgedanken einer partizipativen Demokratie basieren die von der ESYS-Arbeitsgruppe formulierten Anforderungen an Energieszenarien.

Anforderungen

In Studien werden in der Regel mehrere Szenarien modelliert und ausgewertet, um möglichst viele Einflussgrößen zu berücksichtigen. Szenariostudien sollten wissenschaftlich valide, transparent und ergebnisoffen sein.

  • Valide ist eine Szenariostudie, wenn sie wissenschaftlich akzeptierte Methoden, Modelle und Daten verwendet, die dem Stand der Forschung entsprechen.
  • Transparenz setzt voraus, dass eine Studie vollständig veröffentlicht wird. Die Methodik und die Ergebnisse müssen dabei so dokumentiert werden, dass sie für die Zielgruppe der Studie verständlich und nachvollziehbar sind. Um die Ergebnisse überprüfen zu können, müssen unabhängige Fachleute sie nachrechnen können. Die erforderlichen Daten sollten mindestens einem Gutachterkreis zur Verfügung gestellt werden.
  • Ergebnisoffenheit bedeutet, dass Einflussnahmen seitens des Auftraggebers und anderer Akteure auf die Studie offengelegt werden und erläutert wird, wie sich dies auf die Ergebnisse und Schlussfolgerungen auswirkt.

 

Qualitätssicherung

Validität setzt voraus, dass eine wissenschaftliche Qualitätskontrolle möglich ist. Bislang findet diese in der Politikberatung mit Energieszenarien jedoch nur ansatzweise statt. 

  • Um sicherzustellen, dass eine Studie wissenschaftlich valide ist, könnten wichtige Teile  von Fachzeitschriften begutachtet und veröffentlicht werden (Peer-Review).
  • Alternativ könnte ein wissenschaftlicher Beirat (Advisory Board) die Erstellung von Szenariostudien begleiten und sie nach Fertigstellung begutachten.
  • Die Methoden, mit denen sich Unsicherheiten systematisch analysieren lassen, sollten weiterentwickelt und gezielt in die Arbeit an Energieszenarien eingebunden werden. Beispielsweise können Szenarien auf Basis gleicher Annahmen mit unterschiedlichen Modellen berechnet werden (Modellvergleichsrechnungen). Auch Metastudien und Sensitivitätsanalysen, in denen die Ergebnisse mehrerer Szenariostudien ausgewertet und verglichen werden, sollten in der Praxis häufiger eingesetzt werden.

Transparenz

Transparenz ist eine Schlüsselanforderung. Viele beauftragte Institute legen die Quelltexte ihrer Modelle allerdings nicht offen, weil sie zu ihrem Betriebskapital gehören.

  • Frei verfügbare Open-Source-Modelle würden maximale Transparenz schaffen. Viele Institute schränken die Nutzungsrechte ihrer Energiedaten jedoch ein. Daher sollte EU-weit festgeschrieben werden, dass veröffentlichte Energiedaten grundsätzlich für die Szenarien-Modellierung freigegeben sind.
  • Alternativ sollten Daten und Algorithmen einem externen Gutachterkreis zur Verfügung gestellt werden, der überprüfen kann, ob die Ergebnisse plausibel sind.
  • Würden öffentliche Institutionen einheitliche Referenzdaten und -annahmen zur Verfügung stellen, ließen sich unterschiedliche Energieszenarien besser miteinander vergleichen. Ressortforschungseinrichtungen wie das Umweltbundesamt könnten diese Daten erheben und pflegen. Alternativ könnte dazu eine Plattform eingerichtet werden, um Modelle für Energieszenarien systematisch zu vergleichen.
  • Verbindliche Standards für öffentlich geförderte Studien sollten als formaler Bestandteil von Ausschreibungen etabliert werden. Ein Institut, das mit einer Szenariostudie beauftragt werden soll, müsste sich somit dazu bereiterklären, die Daten und Ergebnisse zwei Jahre lang für Metastudien zur Verfügung zu stellen.
  • Die aus den Modellrechnungen abgeleiteten Schlussforderungen für die Energiepolitik sollten allgemeinverständlich erklärt und begründet werden. So leisten Szenarien einen legitimen Beitrag zur demokratischen Entscheidungsfindung.

Ergebnisoffenheit

Auftragnehmer und Auftraggeber sollten Ergebnisoffenheit einfordern und aktiv fördern. Dazu sollten alle Festlegungen, die eine ergebnisoffene Analyse einschränken könnten, offengelegt und plausibel begründet werden.

Dies gilt sowohl für die Rolle der beteiligten Akteure (insbesondere des Auftraggebers) als auch für die getroffenen Szenarioannahmen und die Auswahl des Rechenmodells.

AG-Leiter

  • Prof. Dr. Armin Grunwald
  • Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
  • Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
  • Leiter des ITAS und Professor für Technikphilosophie und Technikethik am KIT

Publikationen

Stellungnahme

Mit Energieszenarien gut beraten: Anforderungen an wissenschaftliche Politikberatung

Energieszenarien haben großen Einfluss auf politische Entscheidungen. Umso wichtiger ist es, dass die Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar sind. Viele beauftragte Institute legen ihre Rechenmodelle jedoch nicht offen, weil sie zu ihrem Betriebskapital gehören. Auch wird nicht immer deutlich, ob Vorgaben der Auftraggeber die Ergebnisse beeinflussen. Die Stellungnahme des Akademienprojekts ESYS liefert Vorschläge für mehr Transparenz.

Analyse

Zur Interpretation von Energieszenarien

Energieszenarien können in der Diskussion zur Energiewende Orientierung bieten und Entscheidungen unterstützen. Fehlende Transparenz sowie die Vielzahl und Heterogenität der verfügbaren Szenariostudien erschweren es jedoch, sie angemessen zu interpretieren und zu bewerten. Die Analyse „Zur Interpretation von Energieszenarien“ bietet hierfür eine Hilfestellung.