Anschließend ging Cyril Stephanos, stellvertretender Leiter der ESYS-Geschäftsstelle, darauf ein, wo im Energiesystem Wasserstoff gewinnbringend eingesetzt werden kann. Ein wichtiger Bereich sei der Industriesektor, da der Einsatz von Strom für Prozesse wie die Stahl- und Ammoniakherstellung nicht infrage käme. Aber auch im Verkehrssektor könnte Wasserstoff eine Schlüsselrolle einnehmen. Für die Kurzstrecke eigneten sich zwar eher Elektrofahrzeuge, da sie Strom aus erneuerbaren Energiequellen sehr effizient nutzen können. Aber mit Wasserstoff ließen sich beispielsweise Schiffe, Züge und Flugzeuge antreiben – entweder direkt als Brennstoff oder umgewandelt in synthetisches Methan und Kerosin.
Auch wenn die Bundesregierung nun voller Kraft eine Wasserstoff-Wirtschaft in Deutschland aufbauen will, wurde in der Diskussion klar, dass Länder wie Japan oder China bereits einen Schritt weiter sind. Deutschland sei daher gefordert, nicht den Anschluss zu verlieren. Die ESYS-Fachleute betonten außerdem, dass Deutschland seinen Energiebedarf nicht allein aus heimischer Produktion wird decken können. Daher sei es erforderlich, Wasserstoff und weitere klimafreundliche Brenn- und Kraftstoffe aus anderen Ländern zu importieren.
Christoph Stemmler, wissenschaftlicher Referent bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, beschrieb die Möglichkeit, grünen Wasserstoff zum Beispiel aus Australien einzuführen. Er verwies auf die Erfahrungen, die eine deutsche Delegation vor wenigen Wochen im Austausch mit australischen Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft gemacht hat. Deutlich wurde, dass der großskalige Import von grünen Energieträgern lange Vorlaufzeiten benötigt und Deutschland deshalb frühzeitig auf die Etablierung von Wasserstoff-Partnerschaften angewiesen sein wird. acatech hat die Delegationsreise nach Sydney, Canberra und Melbourne gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) organisiert.
In der Diskussion mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Bundestags betonten die ESYS-Fachleute die Potenziale des Energieträgers und erklärten, wie wichtig eine internationale Zusammenarbeit auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft sei. Gleichzeitig stellten sie klar, dass sich Wasserstoff nicht für alle Bereiche des Energiesystems gleichermaßen eignet. Die politischen Weichen müssen bereits heute gestellt werden. „Wir rechnen damit, dass Wasserstoff frühestens ab dem Jahr 2030 im industriellen Umfang eingesetzt werden kann“, erklärte Cyril Stephanos. „Um Wasserstoff in Deutschland herstellen und nutzen zu können, muss aber schon jetzt viel passieren: Wir müssen in Anlagen und Infrastrukturen investieren und Partnerschaften mit anderen Ländern knüpfen. Pilotprojekte gibt es heute schon viele. Jetzt gilt es, Projekte im großen Maßstab anzugehen.“
Mit der Veranstaltungsreihe „Energie.Wende.Punkte.“ richtet sich ESYS gezielt an wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Mitgliedern des Deutschen Bundestages (MdBs) sowie an Fraktionsreferentinnen und -referenten. Ziel ist es, fundiertes Wissen zu aktuellen Themen der Energiepolitik und Energiewirtschaft bereitzustellen und Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren.