Mit der Strategie der EU-Kommission zum industriellen Kohlenstoffmanagement und den Eckpunkten der Bundesregierung zur Carbon-Management Strategie (CMS) und zur Langfriststrategie Negativemissionen (LNe) kam im Februar Bewegung in das Thema Kohlenstoffmanagement. Wie verhalten sich CMS und LNe zueinander und zur Strategie der EU-Kommission? Welche Punkte lassen sie ungeklärt? Wo gibt es noch Handlungsbedarf? Um diese und weitere Fragen dreht sich der Impuls „Kohlenstoffmanagement integriert denken: Anforderungen an eine Gesamtstrategie aus CCS, CCU und CDR“ des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), einer gemeinsamen Initiative von acatech, Leopoldina und Akademienunion.
Die Publikation zeigt: Carbon Capture and Storage (CCS), Carbon Capture and Utilization (CCU) und Carbon Dioxide Removal (CDR) überschneiden sich bei den verwendeten Technologien und Infrastrukturen. Ihre nachhaltigen Potenziale sind begrenzt und es können Nutzungskonflikte entstehen. Diese drei Bausteine des Kohlenstoffmanagements müssen daher von Beginn an zusammen gedacht und aufeinander abgestimmt reguliert werden.
Keine Klimaneutralität ohne CCS, CCU in den meisten Fällen kein Ersatz
CCS, die Abscheidung und Verpressung von CO2 im Untergrund zur dauerhaften Speicherung, ist in Deutschland umstritten. Die ESYS-Fachleute kommen jedoch zu dem Ergebnis: Das Risiko, ohne den Einsatz von CCS die Klimaziele zu verfehlen, überwiegt die Risiken der CCS-Anwendung – zumal schon Erfahrungen mit dieser Technologie gesammelt wurden, etwa in Norwegen. Ohne CCS Klimaneutralität oder gar Netto-negativ-Emissionen zu erreichen, wäre nicht oder nur mit unrealistisch weitgehenden Verhaltensänderungen der Bevölkerung und bis 2045 kaum erreichbar erscheinenden Fortschritten in der Industrie möglich. Denn in einigen Bereichen, etwa der Zementindustrie oder der Landwirtschaft, lässt sich mit heute verfügbaren Technologien die Entstehung von Treibhausgasen nicht komplett vermeiden.
CO2 ausschließlich in Vegetation und Böden zu speichern, ist durch die Kapazität der verfügbaren Landflächen begrenzt, zudem ist die Dauerhaftigkeit dieser Speicherung unsicher. Sie kann daher nicht als alleinige Alternative zu CCS dienen. Ebenso wenig eignet sich das weniger umstrittene CCU, also die Abscheidung und Wiederverwendung von CO2 als Rohstoff, als CCS-Ersatz: Die Klimabilanz von CCU hängt sowohl von der CO2-Quelle ab als auch von der Lebensdauer der damit hergestellten Produkte. Negative Emissionen etwa entstehen bei CCU nur mit sehr langlebigen Produkten wie Baustoffen, hergestellt mit CO2 aus der Atmosphäre. CCU ist daher zwar wichtig, um Erdöl und Erdgas als Kohlenstoffquelle zu ersetzen, kann die Emissionen etwa aus Landwirtschaft und Zementindustrie in den meisten Anwendungsfällen aber nicht dauerhaft neutralisieren.
Vermeidung der Emissionsentstehung priorisieren, schwer vermeidbare Emissionen genauer eingrenzen
Auch wenn Kohlenstoffmanagement nötig für den Klimaschutz ist, betonen die ESYS-Fachleute: Im Vergleich zur Vermeidung der Treibhausgas-Entstehung kann es nur einen kleinen Beitrag leisten. Erneuerbare Energien und Wasserstoffinfrastruktur auszubauen und in der Industrie auf emissionsärmere Produktionsweisen umzustellen, bleibt damit essenziell für den Weg zur Klimaneutralität. CCS, CCU und CDR sind auch in den Eckpunkten zur deutschen CMS und LNe vor allem für sogenannte „schwer vermeidbare“ Emissionen vorgesehen – die Eckpunkte bleiben in der Eingrenzung aber vage und inkonsequent. Insbesondere die Öffnung hin zum Einsatz von CCS an mit fossilem Erdgas befeuerten Gaskraftwerken müsste ausführlicher energiewirtschaftlich eingeordnet werden, um den notwendigen gesellschaftlichen Rückhalt für das Kohlenstoffmanagement und CCS im Besonderen nicht zu gefährden.