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Zehn Punkte für ein integriertes Energiesystem

06. September 2019

Deutschland soll bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral werden. In genau zwei Wochen will das Klimakabinett entscheiden, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Fest steht: Die Umsetzung ist kompliziert, und mit den verpassten Klimazielen für das Jahr 2020 ist Deutschland bisher nicht auf Kurs. Wie ist die Energiewende also noch zu schaffen? Fachleute des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) geben der Bundesregierung zehn systemübergreifende Punkte mit auf den Weg. Einen wirksamen CO2-Preis über alle Sektoren sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Leitinstrument für den Klimaschutz an.

Weniger Energieverbrauch, mehr Schnittstellen zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr, flexible Lösungen für Stromschwankungen und Speicher: Die Herausforderungen beim Umbau der Energieversorgung sind groß. Bisher konnte sich die Regierung allerdings noch nicht auf einen Weg einigen. Doch die CO2-Uhr tickt: Machen wir weiter wie bisher, haben wir weltweit schon in zehn Jahren mehr Treibhausgase ausgestoßen als es das Pariser Klimaabkommen zulässt. Wirkungsvolle Maßnahmen zur Kohlendioxid-Reduzierung müssen deshalb so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des von acatech, Leopoldina und Akademienunion initiierten Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) haben zehn Punkte identifiziert, die die Bundesregierung zügig umsetzen sollte. „Um die Klimaziele zu erreichen, brauchen wir systemübergreifende Ansätze. Dazu zählen beispielsweise innovative und effiziente Technologien zur direkten Stromnutzung wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge sowie wasserstoffbasierte Anwendungen. Doch nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen und Lösungen für die Energiewende gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickelt werden, lassen sich diese auch durchsetzen“, erklärt ESYS-Sprecher Dirk Uwe Sauer (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen).

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Klimaschädliches Kohlendioxid über alle Sektoren hinweg zu bepreisen, halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für unumgänglich. Der stellvertretende ESYS-Sprecher Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, fasst die Vorteile eines sektorübergreifenden CO2-Preises zusammen: „Ein Preis auf CO2 stellt das Ziel, die Treibhausgasemissionen spürbar zu senken, in den Mittelpunkt. Die Idee ist simpel: Klimafreundliches Verhalten wird belohnt, die Nutzung von Kohle, Öl, Benzin oder Diesel wird bestraft. Damit der CO2-Preis sein volles Potenzial entfalten kann, sollte sich Deutschland schnellstmöglich mit starken Partnern in Europa verbünden.“ Denn nur mit einer internationalen Allianz für den Klimaschutz ließe sich etwa verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in andere Länder verlagern („Carbon Leakage“).

Wie die CO2-Bepreisung konkret umgesetzt werden und was mit den Einnahmen geschehen sollte, wird derzeit intensiv diskutiert. Die ESYS-Fachleute sprechen sich dafür aus, den Europäischen Emissionshandel auf alle Sektoren auszuweiten und einen Mindestpreis einzuführen. Zugleich sollten Ausgleichszahlungen sicherstellen, dass niemand unverhältnismäßig stark belastet wird. Dazu könnten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise eine Pro-Kopf-Rückerstattung vorstellen. Weitere Vorschläge zur CO2-Bepreisung und zur Reform des Systems an Steuern, Abgaben und Umlagen hat eine ESYS-Arbeitsgruppe jüngst in ihrem Impuls „Über eine CO2-Bepreisung zur Sektorenkopplung: Ein neues Marktdesign für die Energiewende“ zusammengefasst.

Darüber hinaus betonen die ESYS-Fachleute, die Energiewende könne nur gelingen, wenn die erneuerbaren Energien deutlich schneller ausgebaut würden als bisher. Eigene Modellrechnungen zeigen, dass die Leistung der Windkraft- und Solaranlagen bis 2050 auf ein Fünf- bis Siebenfaches anwachsen müsste, damit grüner Strom auch zum Heizen, für industrielle Prozesse und als Antrieb im Verkehr genutzt werden könne. Energieeffizienz kann helfen, diesen Ausbau zu begrenzen und die Belastungen für Bürgerinnen und Bürger möglichst gering zu halten. Das Leitinstrument für mehr Investitionen in erneuerbare Energien und effiziente Lösungen ist ein sektorübergreifender CO2-Preis. Maßnahmen wie Markteinführungsprogramme für klimaschonende Technologien, Anreize zum Austausch ineffizienter Ölheizungen und Kühlgeräte sowie mehr Aufklärungskampagnen und Energieberatungen stellen mögliche flankierende Mechanismen dar.

Auch für einen klimafreundlichen Verkehr liefern die ESYS-Fachleute Vorschläge. Sie skizzieren denkbare Technologien für die Mobilität der Zukunft: Elektrofahrzeuge im Stadt- und Kurzstreckenverkehr, Wasserstoff und elektrische Oberleitungen im Schwerlast- und Fernverkehr sowie Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe im Güter-, Schiffs- und Flugverkehr. Aufgrund hoher Infrastrukturkosten könnten jedoch nicht alle Optionen parallel umgesetzt werden. Hier sei die Politik gefragt, im Dialog mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft kluge Entscheidungen zu treffen. Neben innovativen Technologien brauche es  neue Konzepte zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung, etwa indem mehr Fahrzeuge geteilt und der öffentliche Personennahverkehr sowie der schienengebundene Verkehr ausgebaut werden. Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen, zeitvariable Mautsysteme und eine Besteuerung von Flugbenzin können helfen, die Emissionen im Verkehr zu reduzieren.

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