Klaus-Dieter Borchardt (EU-Kommission), Claas Friedrich Germelmann (Leibnitz University), Birgitta Resvik (Königlich Schwedische Akademie der Ingenieurwissenschaften) und Guillaume Gillet (InnoEnergy) (v.r.n.l.) während der Diskussion im Plenum © Magnus Breidn

Wie bleibt das EU-Stromnetz mit steigendem Anteil Erneuerbarer stabil?

20. Februar 2018

Die EU braucht neue Gesetze für den sich verändernden Strommarkt. Eine klimafreundliche Energieversorgung lässt sich nur mit deutlich mehr grünem Strom erreichen. Das funktioniert nur, wenn die schwankende Stromlast EU-weit ausbalanciert wird. Wie die Rahmenbedingungen dafür angepasst werden müssten, diskutierten Fachleute der EU-Kommission mit internationalen Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft am 19. Februar 2018 in Brüssel. Zum Seminar eingeladen hatten die Königlich Schwedische Akademie der Ingenieurwissenschaften (IVA) und das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS).

„Clean Energy for all Europeans“ – mit diesem Ziel hat die EU-Kommission Ende 2016 das sogenannte Winterpaket vorgestellt. Gegenwärtig verhandeln das EU- Parlament, der Europäische Rat und die Kommission über die Verordnungen und Richtlinien, die aus dem Winterpaket hervorgehen sollen. Klar ist: Regenerative Energiequellen müssen ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen. Damit trotz schwankender Erzeugung die Versorgung sicher und die Netze stabil bleiben, braucht das europäische Elektrizitätssystem neue Regularien. 

Internationaler Austausch zu Regularien für den europäischen Strommarkt

Auf dem Seminar „Policy options for a reliable European electricity system – Perspectives from the EU, Germany and Sweden“ diskutierten Expertinnen und Experten aus Deutschland, Schweden und Brüssel darüber, mit welchen rechtlichen Vorgaben die Europäische Union den Veränderungen im Stromsystem begegnen kann. Am Beispiel von Deutschland und Schweden wurde verdeutlicht, vor welchen besonderen Herausforderungen die einzelne Mitgliedstaaten stehen. Klaus-Dieter Borchardt, Direktor Energiebinnenmarkt der Generaldirektion „Energie“ der Kommission betonte in seinem Einführungsvortrag, dass es wichtig sei, die erneuerbaren Energie vollständig in den Markt zu integrieren: „Für Wind- und PV-Anlagen brauchen wir keine Einspeisevergütung oder Einspeisevorrang mehr. Die Anlagen müssen wie alle anderen Technologien am Markt behandelt werden und auch Systemdienstleistungen übernehmen.“ Eine zentrale Rolle bei dem Übergang zu einem klimaschonenden Energiesystem sieht er bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Als „Prosumer“ müssten sie in den Markt eingebunden werden. Wichtig dafür seien einerseits der großflächige Einsatz von Smart Metern, andererseits Anreize auf dem Markt für ein flexibles Lastmanagement („demand response management“).

Ansprechpartnerinnen

Wie sich die Energiewende auf die Stromsysteme und Deutschland und Schweden auswirkt, veranschaulichten Karin Byman von der Königlich Schwedischen Akademie der Ingenieurwissenschaften und Cyril Stephanos von der ESYS-Geschäftsstelle in ihren Vorträgen. Beide Länder haben sich sehr ehrgeizige Ziele für ihre Stromversorgung gestellt. Die Voraussetzungen sind aber unterschiedlich: Während in Schweden Kernkraft- und Wasserkraftwerke auch langfristig für eine stabile Grundversorgung sorgen könnten, soll in Deutschland Strom in Zukunft vor allem aus Wind- und Solaranlagen kommen. Um die Versorgung sicherzustellen, könnten große Reservekapazitäten notwendig sein. Wie diese am Markt finanziert werden sollten, ist heute jedoch noch nicht absehbar. Claas Friedrich Germelmann, Professor am Institut für Internationales Recht der Leibniz Universität Hannover, wies in seinem Statement auf das Spannungsverhältnis beim Umgang mit nationalen Kapazitätsmechanismen hin: “Kapazitätsmechanismen können unterschiedliche Formen annehmen, wie strategische Reserven, Reservekapazitäten am Markt oder Lastmanagement. Die rechtlichen Herausforderungen in dem Spannungsfeld zwischen nationalen Kapazitätsmechanismen und der Verantwortung der Staaten für die Versorgungssicherheit einerseits und den Regeln eines europäischen Strombinnenmarktes sowie dem EU-Beihilfenrecht andererseits werden auch nach dem Umsetzen des Winterpaktes bestehen bleiben.“

Darin waren sich die Fachleute einig: Das europäische Energiesystem ist mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien nur durch eine grenzübergreifende Zusammenarbeit nachhaltig, sicher und bezahlbar. Dies gilt hinsichtlich rechtlicher Rahmenbedingungen, eingesetzter Technologien sowie neuer Geschäftsmodelle.

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