Ursachen von Netzengpässen können vor allem zwei Faktoren sein: Erstens der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien, die geographisch sehr unterschiedliche Mengen an Strom in die Netze einspeisen und zeitlich schwanken können. Und zweitens das Hinzukommen vieler neuer Stromverbraucher im Rahmen der Sektorenkopplung, wie Elektroautos, Wärmepumpen und elektrische Industrieprozesse. Durch diese neuen Verbraucher kann der Stromverbrauch zu bestimmten Zeiten stark ansteigen, was wiederum hohe Anforderungen an die Netze stellt.
Im Fachgespräch diskutierten die Expertinnen und Experten sowohl Marktdesignoptionen, um die Entstehung von Netzengpässen von vornherein zu vermeiden, als auch Möglichkeiten, korrigierende Eingriffe der Netzbetreiber in die Netznutzung zu optimieren. Im Fokus stand unter anderem die Möglichkeit, mehrere Strompreiszonen in Deutschland einzuführen. Aktuell stellt Deutschland eine einheitliche Preiszone dar. Das bedeutet, dass Handelsgeschäfte innerhalb Deutschlands an der Strombörse für den gleichen Preis abgeschlossen werden, unabhängig vom genauen Standort der Anlagen. Lediglich die Netzentgelte sind regional unterschiedlich ausgestaltet. Bei bestehenden Netzengpässen würde dann der Strompreis in Zonen mit hohem Angebot geringer, in Zonen mit geringem Angebot höher ausfallen.
Einen Extremfall der Aufteilung stellt das sogenannte „Knotenpreissystem“ als eine weitere Marktdesignoption dar: Hierbei wird das Stromnetz in viele einzelne „Knoten“ aufgeteilt, für die ein zentraler Akteur jeweils einen gesonderten Preis bildet, der neben den Geboten der Marktteilnehmer auch bestehende Netzengpässe in Form höherer Preise berücksichtigt. Durch die sehr hohe räumliche Auflösung würde die Netzstruktur in dem Strompreis von vornerein abgebildet und Netzengpässe möglicherweise vermieden. Die Kleinteiligkeit dieses Systems macht die Steuerung jedoch komplex, sodass es vor allem auf der Höchst- und Hochspannungsebene zum Einsatz kommen kann. Ein Knotenpreissystem wird zum Beispiel in Teilen der USA, Russland oder Singapur eingesetzt, wobei in Deutschland aufgrund unterschiedlicher Kraftwerksparks andere Vorrausetzungen gelten.
Im Fachgespräch wurde klar, dass eine Aufteilung in verschiedene Strompreiszonen eine große Herausforderung darstellen würde, die sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft auf teils großen Widerstand stoßen könnte. Auch wäre noch weitere Forschung notwendig, um einen optimalen Zuschnitt zu finden. Und dieser könnte sich über die Jahre immer wieder ändern, abhängig unter anderem vom Netzausbau, was zu zusätzlichen Planungsschwierigkeiten führen würde.
Als weitere Handlungsoption wurde diskutiert, die Höhe des zu entrichtenden Netzentgeltes vermehrt an der Netzauslastung zu orientieren, um einen Anreiz für die Berücksichtigung von Netzengpässen bei der Netznutzungsentscheidung zu setzen. In diesem Zusammenhang müsste auch die Einführung eines Netzentgeltes für die Einspeisung von Strom diskutiert werden. Im gegenwärtigen System fallen Netzentgelte ausschließlich beim Verbrauch von Strom an. Die Höhe der Anreize sowie die auslastungsorientierte Berechnung der Netzentgelte werfen weiteren Forschungsbedarf auf.
Die ESYS-Arbeitsgruppe wird neben Hartmut Weyer von Felix Müsgens, Lehrstuhlinhaber für Energiewirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, geleitet. Anfang des kommenden Jahres will sie ihre Ergebnisse veröffentlichen.