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Standpunkte zu den Beschlüssen des Klimakabinetts

20. September 2019

Am 20. September hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier zur Erreichung der Klimaziele 2030 vorgelegt. Reichen die verabschiedeten Maßnahmen aus, um die Treibhausgasemissionen spürbar zu senken und die vereinbarten Klimaziele zu erreichen? Felix Müsgens (Professor für Energiewirtschaft an der BTU Cottbus und Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“) und Dirk Uwe Sauer (Professor am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe an der RWTH Aachen und ESYS-Sprecher) bewerten die Beschlüsse aus ihrer Perspektive.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors wieder.

„Der Anfang ist gemacht – Stellungnahme zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung"

Felix Müsgens

Professor für Energiewirtschaft an der BTU Cottbus und Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“

Positiv hervorzuheben sind drei Aspekte:

  1. Erstens der Einstieg in die Bepreisung der Nicht-EU-ETS-Sektoren. Dieses zentrale Element wird auch direkt am Anfang des Eckpunktepapiers der Bundesregierung platziert.
  2. Zweitens folgt im direkten Anschluss die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch den Abbau von Verzerrungen im Stromsektor, insbesondere bei der EEG-Umlage. In Kombination wird durch diese beiden Maßnahmen eine doppelte Dividende erzielt: bessere Adressierung der Klimaexternalität, effizientere Sektorenkopplung im ‚Level Playing Field‘.
  3. Drittens ist das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu begrüßen, „sich für einen europaweiten übergreifenden Zertifikatehandel für alle Sektoren“ einzusetzen.

Das folgende Sammelsurium einzelner Maßnahmen (insgesamt 63 weitere Punkte) dagegen verursacht hohe Kosten bei unklarem Beitrag zum Klimaschutz.
Angesichts von mehreren hunderttausend Menschen, die heute in Deutschland und anderen Ländern für wirksamen Klimaschutz demonstriert haben, hätte man sich insgesamt mehr Mut und klarere Kommunikation gewünscht: Klimaschutz ist auch mit Kosten verbunden. Insbesondere im Hinblick auf die Höhe der CO2-Preise erscheint es zumindest fraglich, ob mit den geplanten Preisen (z.B. 10 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021, 35 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2025) die Einsparziele der Bundesregierung erreicht werden. Hier wäre mehr Vertrauen in dieses für den Klimaschutz zentrale Instrument angebracht.

Bei höheren Preisen bestünde (als zweiter Teil der doppelten Dividende) gleichzeitig auch mehr Raum zum Abbau von Verzerrungen bei der EEG-Umlage. 0,25 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2021 erscheinen bei einer EEG-Umlage von aktuell 6,4 Cent pro Kilowattstunde eher symbolisch. In diesen Bereichen wird also Potenzial verschenkt. Dennoch: Der Anfang ist gemacht.

 

„Fördermaßnahmen dürfen nicht zu Zwischenlösungen führen, die zur Erreichung der Klimaziele nicht genügen“

Dirk Uwe Sauer

Professor am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe der RWTH Aachen und ESYS-Sprecher

Positiv ist, dass die Gesamtemissionsmengen bis 2030 festgelegt sind. Die weiteren Reduktionsziele Richtung 2040 bzw. 2050 erst 2025 festzulegen, bedeutet aber erhebliche Unsicherheiten für Investoren, solange nicht klar ist, wo es hingehen wird. Es wird zumindest wichtig sein, seitens der Bundesregierung deutlich zu machen, dass die CO2-Einsparziele höher als 70 Prozent gegenüber 1990 sein müssen und werden.

Der Paris-Nachfolgeprozess sieht auch eine Verstärkung der Reduktionsanstrengungen alle fünf Jahre vor, da klar ist, dass mit den bislang gemachten Zusagen das 1,5°C-Ziel nicht zu erreichen ist. Das Klimaschutzprogramm gibt keine Hinweise darauf, in welchen Sektoren welche zusätzlichen Einsparungen möglich sein könnten.

Das Klimaschutzgesetz legt die maximal erlaubten Emissionen in den einzelnen Sektoren fest und bleibt dabei bei den Reduktionszielen, die im Klimaschutzplan im November 2016 festgelegt worden sind. Unklar ist, wie diese Ziele erreicht werden können. Der Ausbau erneuerbarer Energien orientiert sich weiter an 65 Prozent des bisherigen Strombedarfs, berücksichtigt aber nicht den zunehmenden Strombedarf durch Sektorenkopplung.

Im Bereich der Personenkraftfahrzeuge wird die CO2-Bepreisung im Vergleich mit den fahrzeugbezogenen Grenzwerten der EU für neuzugelassene Fahrzeuge nur wenig Wirkung entfalten. Wichtig ist hier ein sehr schneller und starker Einstieg, da durch die Fahrzeuglebensdauer bereits alle heute neuzugelassenen Fahrzeuge 2030 noch auf der Straße sind.

Wichtig ist, dass Fördermaßnahmen nicht zu Zwischenlösungen führen, die für das Erreichen der Ziele am Ende nicht ausreichend sind. Das Verbot neuer Ölheizungen ist sinnvoll, aber ob Gas-Elektro-Hybridheizungen die richtige Technologie für weitere 20 Jahre sind oder nicht gleich Wärmepumpen eingesetzt werden müssten, sollte noch mal genau überprüft werden.

Es muss geschaut werden, ob der Tausch von Emissionsrechten zwischen den Ministerien dafür sorgt, dass in einem Sektor sehr teure Maßnahmen wie eFuels im Verkehrssektor nicht zum Einsatz kommen. Da aber jeweils nur innerhalb des ETS-Sektors und des Non-ETS-Sektors getauscht werden darf, sind die Optionen relativ gering. Energiewirtschaft und Industrie einerseits und Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft andererseits könnten also untereinander tauschen.

Es wird spannend sein zu sehen, ob die Zielsetzungen ohne weitreichende ordnungsrechtliche Maßnahmen, wie es jetzt weitgehend vorgesehen ist, erreicht werden können. Wichtig ist, dass – wie von der Bundesregierung versprochen – bei Nichterreichen von sektoralen Zielen sehr schnell Gegenmaßnahmen beschlossen werden. Jede Verzögerung macht die Zielerreichung komplizierter und teurer.

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