Energiesymposium

© Pixabay/hpgruesen

Warum die CO2-Emissionen Deutschlands nur langsam sinken – ESYS-Fachleute nennen Gründe

14. Mai 2019

Im vergangenen Jahr sind die CO2-Emissionen in Deutschland erstmals seit 2014 merklich auf 866 Millionen Tonnen gesunken. Das zeigen Berechnungen des Umweltbundesamtes. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, genügt das nicht. Warum sinken die Emissionen nicht deutlicher, obwohl Windkraft- und Solaranlagen stetig ausgebaut werden? Immerhin deckten regenerative Energiequellen 2018 fast 38 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs. Vier Hauptgründe nennen Fachleute des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) in der neuen Publikation „Kurz erklärt!“: zu wenig Erneuerbare im Wärme- und Verkehrssektor, viel Strom aus Braunkohle, hohe Stromexporte ins Ausland und den Rückgang CO2-armer Kernenergie.

Erstmals seit fünf Jahren schafft Deutschland eine leichte Trendwende beim Ausstoß von Treibhausgasen: Nachdem die CO2-Emissionen zwischen 2014 und 2017 etwa auf gleichbleibendem Niveau stagnierten, sind sie im Jahr 2018 um 4,5 Prozent gesunken. Angaben des Umweltbundesamtes zufolge liegt der Rückgang vor allem an der milden Witterung. Deutschland musste weniger heizen. Gleichzeitig ließ die Dürre die Wasserstände sinken, sodass zum Teil keine Güterschiffe mehr fahren konnten. Dadurch stiegen die Preise für Kohle und Heizöl; in der Folge wurden weniger fossile Energieträger verbrannt.

Mittlerweile stammen 37,8 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. Trotzdem sinken die CO2-Emissionen bei weitem zu langsam, um die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) nennen in der Publikation „Kurz erklärt!“ vier Hauptgründe.

Ansprechpartner


Ein wichtiger Aspekt sind die Braunkohlekraftwerke mit ihren niedrigen Grenzkosten: Wenn zusätzlicher Strom benötigt wird, weil die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, dann lässt er sich mit Braunkohle am billigsten produzieren – aber auch deutlich emissionsintensiver. Eine Kilowattstunde Strom aus Erdgas erzeugt Emissionen in Höhe von 374 Gramm; bei Steinkohle sind es 815 Gramm, bei Braunkohle sogar 1.142 Gramm. „Obwohl Kohle nur ein Drittel der Stromerzeugung deckt, ist sie für fast 75 Prozent der Emissionen im Stromsektor verantwortlich. Die Lenkungswirkung des Europäischen Emissionshandels, der klimaschädliche Kraftwerke verteuern soll, kommt bisher nicht zum Tragen. Erst wenn der CO2-Preis stabil zwischen 30 und 40 Euro liegt, wird Erdgas gegenüber Kohle konkurrenzfähig“, kritisiert Karen Pittel. Die Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen ist Mitglied des ESYS-Direktoriums und hat das vorliegende Papier mit verfasst.

Darüber hinaus haben die erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren eine andere emissionsarme Technologie zur Stromerzeugung ersetzt – die Kernkraft. Ihr klimaschonender Effekt wird dadurch in Summe abgedämpft. Wenn Kohlekraftwerke in wind- und sonnenarmen Zeiten einen Teil der Stromerzeugung aus Kernenergie übernehmen, steigen die CO2-Emissionen sogar an.

Eine dritte Bremse des Klimaschutzes sind die hohen Stromexporte: Deutschland hat 83 der im Jahr 2018 produzierten 646 Terawattstunden Strom ins Ausland exportiert – das ist in Europa Rekord. „Die Exporte sind so hoch, weil ein Teil der fossilen Kraftwerke auch bei einem großen Angebot an grünem Strom betrieben wird. In der Folge sinkt der Börsenstrompreis, und das Ausland kann günstig Strom aus Deutschland importieren“, erklärt die Ökonomin Karen Pittel. Die entstandenen Emissionen belasten die deutsche CO2-Bilanz, während das CO2-Konto der Empfängerländer verschont bleibt. Mehr Stromspeicher, hochflexible Kraftwerke und ein flexibler Stromverbrauch können dazu beitragen, die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie besser zu steuern und Exporte zu begrenzen.

Vor allem aber sind die CO2-Emissionen außerhalb des Stromsektors in den letzten Jahren kaum gesunken. In den Sektoren Wärme und Verkehr spielen erneuerbare Energien mit einem Anteil von 13,9 Prozent bzw. 5,6 Prozent weiterhin eine geringe Rolle. Rund zwei Drittel der CO2-Emissionen werden in Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Wärme und anderen Sektoren verursacht – deshalb reicht es nicht aus, allein die Stromproduktion auf Erneuerbare umzustellen. Ein einheitlicher, alle Sektoren umfassender CO2-Preis könnte dafür sorgen, dass sich klimaschonende Technologien auch in der Wärmeversorgung und der Mobilität etablieren können.

Weitere Informationen