Im Alltag müsste uns das Energiesparen leicht fallen. Wir könnten alte Haushaltsgeräte durch effizientere ersetzen, das Auto öfter mal stehen lassen oder im Winter die Durchschnittstemperatur in unseren Häusern und Wohnungen um ein bis zwei Grad absenken. Verhaltenswissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass es den meisten Menschen schwer fällt, Alltagsgewohnheiten auf Dauer zu ändern – selbst wenn es vernünftig wäre und Geld sparen würde. „Typisch sind zum Beispiel Rebound-Effekte: Man kauft sich zwar ein Auto mit effizienterem Antrieb, dafür ist es größer und wird öfter gefahren als das alte“, sagt Ortwin Renn. Der Wissenschaftliche Direktor am Institute for Advanced Sustainabiliy Studies (IASS) hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Thema „Verbraucherpolitik für die Energiewende“ geleitet.
Verbraucherpolitik für die Energiewende
15. März 2017
Zum Weltverbrauchertag am 15. März werfen die Wissenschaftsakademien ein Schlaglicht auf den Energieverbrauch in Deutschland: Gut ein Viertel entfällt auf Privathaushalte. Soll die Energiewende gelingen, muss jeder Einzelne einen Beitrag leisten. Wir müssen nicht nur Energie sparen, sondern unseren Verbrauch künftig auch stärker an die schwankende Einspeisung aus Wind- und Solarenergie anpassen. Wie also lassen sich Verbraucher motivieren, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern? Eine Arbeitsgruppe des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) hat den Stand der Forschung dazu ausgewertet und fasst die Ergebnisse in der Stellungnahme „Verbraucherpolitik für die Energiewende“ zusammen.
Informieren und „anstupsen“
Was kann man also dem Beharrungsvermögen entgegensetzen, ohne Verbote auszusprechen? Die Stellungnahme nennt zielgruppengerechte, leicht zugängliche, gut verständliche Information und Beratung als zentrales Element. Eine vor allem von Cass Sunstein, Jurist und ehemaliger Berater des früheren US-Präsidenten Barack Obama, geprägte Methode setzt auf sanfte „Stupser“ (englisch Nudges). Sieht man etwa auf der Stromrechnung, dass die Nachbarn im Durchschnitt weniger verbrauchen als man selbst, kann das zu sparsamerem Verhalten motivieren. Ein weiteres Beispiel sind Energielabels auf Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Kühlschränken, die die Auswahl eines stromsparenden Geräts erleichtern sollten.
Während internationale Studien zeigen, dass „Nudging“ zum Energiesparen anregt, gibt es für Deutschland bisher nur wenige empirische Belege. Die Akademien acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften empfehlen deshalb, die Wirksamkeit weiter zu erforschen. Auch länderspezifische Unterschiede sind zu berücksichtigen. So sind für die USA zwar spürbare Effekte nachgewiesen. Da amerikanische Haushalte aber rund dreimal so viel Energie verbrauchen wie deutsche, ist das Einsparpotenzial hierzulande wesentlich geringer.
Intelligent und vernetzt
Gewinnen wir Strom künftig vor allem aus erneuerbaren Energien, brauchen wir Flexibilitätstechnologien, um die wetterabhängigen Schwankungen bei der Wind- und Sonnenenergie auszugleichen. Wie das Akademienprojekt ESYS in der 2016 veröffentlichten Stellungnahme „Flexibilitätskonzepte für die Stromversorgung 2050“ gezeigt hat, lassen sich kurzfristige Schwankungen am kostengünstigsten durch eine flexible Verbrauchssteuerung (Demand-Side-Management) abpuffern. Batterien von Elektroautos könnten beispielsweise aufgeladen und als Stromspeicher genutzt werden, wenn die Sonne scheint und der Wind stark weht. Als Anreiz für Verbraucher, sich an der flexiblen Verbrauchssteuerung zu beteiligen, schlagen die Akademien Lieferverträge mit dynamischer Preisgestaltung vor: Ist viel Strom im Netz, sinken die Preise, bei einem Engpass steigen sie.
Voraussetzung dafür wäre eine intelligente Steuerungstechnik sowie die Bereitschaft der Verbraucher, einige ihrer Geräte von außen „fernsteuern“ zu lassen. Ein erster Schritt in diese Richtung war die politische Entscheidung, schrittweise digitale Stromzähler, sogenannte Smart Meter, zu installieren. Sie können den Stromverbrauch eines Haushaltes visualisieren und – im Sinne des Nudgings – zum Energiesparen anspornen. Auch Heizungen und Kühlsysteme lassen sich individuell steuern. „Verbraucher können ihren Bedarf zum Heizen und Kühlen über Apps auswerten und anpassen. Das spart nicht nur Energie, sondern erhöht auch den Komfort für Nutzer“, sagt Ortwin Renn. „Zudem verbleibt bei der Steuerung durch Apps die Kontrolle beim Verbraucher. Dadurch steigt die Akzeptanz.“