Henning Kagermann

Henning Kagermann, ehem. Präsident von acatech, erläutert seine Sicht auf die Digitalisierung kritischer Energieinfrastrukturen © acatech/Pankow

Wie macht Digitalisierung die Energieversorgung resilient und robust?

31. Mai 2018

Ohne Informations- und Kommunikationstechnologien ist die Energieversorgung inzwischen undenkbar. Sie vernetzen Erzeuger, Konsumenten, Geräte und Teilsysteme miteinander, überwachen das Netz und schlagen Alarm bei Problemen. Gleichzeitig birgt die Digitalisierung kritischer Energieinfrastrukturen auch Risiken. Wo liegen die Chancen und Herausforderungen? Wer sind die Hauptakteure, welche Verantwortung tragen sie? Was muss auf Regulierungsebene und in der Praxis passieren? Diese Fragen diskutierten Fachleute beim ESYS-Workshop „Digitalisierung kritischer Infrastrukturen für die Energieversorgung“ am 30. Mai in Berlin

Das Stromsystem vernetzt viele Milliarden Geräte unterschiedlicher Leistungsstärke über Ländergrenzen hinweg. Störungen können weitreichende Folgen haben. Um die Stromflüsse für eine stabile Energieversorgung sicher steuern zu können, braucht es digitale Energieinfrastrukturen. Beim vom Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) veranstalteten Workshop tauschten sich rund 20 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft darüber aus, welche Chancen, Risiken und Herausforderungen die Digitalisierung der Energieversorgung mit sich bringt.

ESYS-Mitglied Sebastian Lehnhoff, Vorstand Energie beim OFFIS – Institut für Informatik, beschrieb in seinem Impulsvortrag die Anforderungen an ein intelligentes Energiesystem. „Digitale Energieinfrastrukturen müssen sowohl sicher als auch sichernd sein. Das bedeutet, sie müssen sich selbst gegen Angriffe und Ausfälle verteidigen können und gleichzeitig das Gesamtsystem funktionsfähig und resilient halten. Nur so wird das Energiesystem cyber-resilient.“ Der Mensch spiele in diesem Prozess eine wichtige Rolle – dies führe oft zu unvorhersehbaren Entwicklungen. Henning Kagermann, Vorsitzender des acatech Kuratoriums und bis Mai 2018 acatech Präsident, stimmte dem zu und bezeichnete den Menschen als größte „Sicherheitslücke“ im System. An diesen Gedanken knüpfte Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform, an: Sie betonte die Notwendigkeit, die Energieversorgung als soziotechnisches System zu betrachten. „Das Bedürfnis nach Resilienz und Sicherheit ist nicht rein technisch zu lösen“, erklärte die Politikwissenschaftlerin.

Ansprechpartnerinnen

Andre Walter, Referent für kritische Infrastrukturen (KRITIS) im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, gab Einblicke in die Perspektive der regulierenden Behörde. Er verwies auf den Entwurf für eine neue nationale KRITIS-Strategie, der aktuell diskutiert wird. Dieser beinhaltet unter anderem ein integriertes Risikomanagement für vernetzte Ausfälle und Mehrfachausfälle. Dieter Brüggemann, Experte für Cyber Security Resilience bei innogy, stellte als größte Herausforderung heraus, dass Prosumer in die Prozessdatenverarbeitung eingreifen. Energieunternehmen seien deshalb zunehmend als Energiemanager gefragt, das weitverzweigte Netz zu steuern.

Kontrovers diskutiert wurden Lösungen wie ein zellförmig aufgebautes Energiesystem, verbesserte Netz- und Systemregeln (Grid Codes) und Smart Meter – und ob man durch mehr Technik wirklich mehr Sicherheit schafft. Als offenen Punkt identifizierten die Teilnehmenden des Workshops die Frage, wie teuer Maßnahmen für eine resiliente Energieversorgung seien und wer diese Kosten tragen sollte. Einerseits sei eine gesicherte, resiliente Stromversorgung ein Standortvorteil und daher von großem Wert. Um die gesellschaftliche Akzeptanz für digitale Technologien und Infrastrukturen zu wahren, müssten die Kosten andererseits angemessen verteilt werden. Wie Reservekapazitäten und Notfallvorkehrungen im Markt finanziert werden könnten, sei noch ungeklärt.

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