Erneuerbare-Energie-Anlagen haben geringe Betriebskosten, müssen aber während ihrer Laufzeit die anfänglichen hohen Investitionskosten wieder erwirtschaften. Zudem sind ihre Erträge nicht unwesentlich vom Wetter abhängig: Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, erzeugen sie viel Strom. Das ist zwar gut für die Energieversorgung, das zeitweise große Angebot drückt jedoch die Preise und macht die Stromeinspeisung in diesen Zeiten unattraktiv für die Erzeuger. Auch ausbleibender Sonnenschein und Wind wirken sich auf das Angebot aus: Für sogenannte Dunkelflauten braucht es Reservekapazitäten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der heutige Strommarkt bildet diese Besonderheiten der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien teilweise noch nicht ab.
Das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), eine gemeinsame Initiative von acatech, Leopoldina und Akademienunion, hat deshalb untersucht, wie Anpassungen des bestehenden Marktdesigns Abhilfe schaffen können. Geleitet wurde die Gruppe von Jürgen Kühling (Universität Regensburg, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Immobilienrecht, Infrastrukturrecht und Informationsrecht) und Justus Haucap (Heinrich-Heine-Universität, Duesseldorf Institute for Competition Economics).
Die Ergebnisse hat ESYS nun in der Stellungnahme „Investitionsanreize setzen, Reservekapazitäten sichern: Optionen zur Marktintegration erneuerbarer Energien“ veröffentlicht. Darin kommen die Fachleute zu dem Ergebnis, dass der Strommarkt zwar grundsätzlich – auch in der Krise – funktionsfähig und ein umfassender Eingriff in den Markt nicht notwendig ist, trotzdem sehen sie Anpassungsbedarf im Strommarktdesign, um eine schnelle und vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien zu ermöglichen.
Flexibilität ermöglichen
Da den Investitionsproblemen im Energiesystem die nicht regelbare Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zugrunde liegt, muss nach Einschätzung der Expertinnen und Experten im Gegenzug die Flexibilität im Stromsystem zunehmen. Diese ist Grundlage für alle weiteren Anpassungen und kann nur in einem Zusammenspiel von technischen Neuerungen und ökonomischen Anreizen gelingen. So können zum Beispiel Energiespeicher, eine Nachfrageflexibilisierung und flexible zusätzliche Lasten den Bedarf an Anlagen, Netzen und Reservekapazitäten senken. Auch die Digitalisierung des Stromsystems, etwa das Rollout des Smartmeters, spielt hier eine elementare Rolle.
Marktprämien geschickt einsetzen und Reservekapazitäten anreizen
Darauf aufbauend bewerten die ESYS-Fachleute den CO2-Preis als klimawirksames und kosteneffizientes Mittel, das für das Erreichen der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 auf lange Sicht am besten geeignet ist. Der Preis sollte in einem vorhersehbaren Korridor ansteigen und möglichst auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Um die Ausbauziele bis zum Jahr 2030 zu erfüllen, sehen sie ihn aber nicht als ausreichendes Instrument an: Kurzfristig müsse der CO2-Preis mit Marktprämien ergänzt werden. Die Stellungnahme vergleicht Chancen und Risiken von fixen und einseitig gleitenden Marktprämien sowie von „Contracts for Difference“. Somit kann sie als Basis für eine politische Entscheidung für ein geeignetes Marktprämienmodell dienen.
Ob das aktuelle System der strategischen Reserve auch in Zukunft ausreicht, gelte es gründlich zu evaluieren. Bisher gewährleistet ein Zusammenspiel von Energy-Only-Markt und Backup-Kraftwerken, dass ausreichend Reserven vorhanden sind. Als Alternativen hierfür identifizieren die Fachleute zentral oder dezentral organisierte Kapazitätsmärkte. Diese könnten neue Investitionsanreize setzen und somit die Bereitstellung von Reservekapazitäten für den Markt attraktiv machen.