Kohlenstoffmanagement: ein breites und integriertes Portfolio ist nötig

06. Mai 2024

Der Treibhausgasausstoß muss schnell und deutlich sinken – aber in manchen Bereichen der Industrie und in der Landwirtschaft kann die Entstehung von Treibhausgasen nicht vollständig vermieden werden. Für Klimaneutralität bis 2045 und langfristig Netto-negativ-Emissionen ist daher ein integriertes Kohlenstoffmanagement nötig. In einer Online-Veranstaltung diskutierten Fachleute über die Anforderungen an eine Gesamtstrategie dafür.

Das Event startete mit einem gemeinsamen Vortrag von Manfred Fischedick, Mitglied im ESYS-Direktorium (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie), und Sabine Fuss (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, MCC). Sie präsentierten die Kernpunkte der kürzlich erschienenen ESYS-Publikation „Kohlenstoffmanagement integriert denken: Anforderungen an eine Gesamtstrategie aus CCS, CCU und CDR“.

Dabei stehen CCS, CCU und CDR für die drei Bausteine des Kohlenstoffmanagements: Carbon Capture & Storage (CCS), Carbon Capture & Utilization (CCU) und Carbon Dioxide Removal (CDR). In dem vorgestellten ESYS-Papier bewerten die Autor*innen die Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management Strategie (CMS) und für eine Langfriststrategie Negativemissionen (LNe). Dabei beschreiben die Expert*innen Anforderungen an und Handlungsoptionen für ein integriertes Kohlenstoffmanagement.

Treibhausgase müssen weiter vermieden werden

In seinem Vortrag während der Online-Veranstaltung stellte Manfred Fischedick übergreifend fest, dass es weiterhin notwendig sein wird, Treibhausgasemissionen zu reduzieren – auch wenn CCS und CCU eingesetzt werden. Zudem sei es essenziell, den Blick zu weiten: Man sollte CCS und CCU im Umgang mit schwer vermeidbaren Emissionen, etwa in der Zementindustrie, mit negativen Emissionen zusammendenken.

Sabine Fuss ging in ihrer Präsentation stärker auf die regulatorischen Fragen ein. Sie erklärte, dass für den Markthochlauf von CCS, CCU und CDR unter anderem Subventionen sinnvoll sein könnten; diese jedoch zeitlich begrenzt sein müssten. Außerdem sei es hilfreich, nationale Instrumente für den deutschen Markt bereits so zu entwickeln, dass diese anschlussfähig an EU-Mechanismen sind.

Klarer Rechtsrahmen ist wünschenswert

Nach der Präsentation des Impulspapiers gab Sandra Matk (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) einen kurzen Überblick über den Entstehungsprozess der Eckpunktepapiere und den Stakeholder Dialog zur CMS. Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion, die auch die Fragen der circa 140 Zuhörer*innen thematisierte. Auf dem digitalen Podium saßen: Manfred Fischedick, Sabine Fuss, Oliver Geden (Stiftung Wissenschaft und Politik), Stefanie Ober (Naturschutzbund Deutschland) und Carsten Rolle (Bundesverband der deutschen Industrie). Die Moderation der Diskussion übernahm der Vorsitzende des ESYS-Direktoriums, Andreas Löschel (Ruhr-Universität Bochum).

Im Verlauf der Diskussion kristallisierten sich zwei Kernpunkte heraus: der Wunsch nach Klarheit und einer stabilen Infrastruktur. So ist ein klarer Rechtsrahmen bereits jetzt wünschenswert, um Planungssicherheit in der Wirtschaft und Akzeptanz in der Gesellschaft zu schaffen. Welche Anwendungsfelder für CCS, CCU und CDR sind erlaubt? Wer darf sie zu welchem Maße nutzen? Wo darf CO2 gespeichert werden? Das Panel äußerte die Hoffnung, dass die Bundesregierung mit der Carbon Management Strategie und der Langfriststrategie Negativemissionen möglichst zeitnah klare Vorgaben formuliert.

Wechselwirkungen bedingen eine umfassende Gesamtstrategie

Ebenso intensiv diskutierten die Expert*innen den Ausbau der Infrastruktur, der für den Abtransport von aufgefangenem CO2 notwendig sein wird. Thematisiert wurde in diesem Zusammenhang auch der zukünftige CO2-Bedarf aus der Industrie, zum Beispiel um chemische Produkte herzustellen. Das CO2 wird nicht immer dort abgeschieden, wo es später verarbeitet wird. So entsteht auch über die Nutzung CO2-Transportbedarf, der bei anfänglich knappen Transportkapazitäten in gewisser Konkurrenz zum CO2-Transport für die geologische Speicherung stehen kann.

Die Frage nach dem Ausbau der Infrastruktur zeigt exemplarisch, wie viele Wechselwirkungen im Themenkomplex CCS, CCU und CDR bestehen und warum letztlich ein konsistenter gemeinsamer Rahmen für das Kohlenstoffmanagement notwendig ist. Abschließend waren sich die Fachleute durchaus einig, dass es wichtig wäre, regulatorisch nicht zu restriktiv vorzugehen. Stattdessen sprachen sie sich dafür aus, ein breiteres Portfolio an Einsatzmöglichkeiten offen zu lassen und politisch noch aktiver um Unterstützung für das Kohlenstoffmanagement zu werben.

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