Trägt Bioenergie überhaupt zum Klimaschutz bei?

© Daniel Schwen

Bioenergie kann Erdgas, Erdöl und Kohle ersetzen. In vielen Klimaschutzszenarien des IPCC wird Bioenergie künftig in großem Umfang eingesetzt – bis zu fünfmal so viel wie heute. Eine steigende Nachfrage erhöht aber den Nutzungsdruck auf globale Landflächen und kann zu weiterer Entwaldung führen. Welche Rolle sollte Bioenergie daher im zukünftigen Energiesystem spielen? Der Humanökologe Helmut Haberl von der Universität für Bodenkultur Wien erklärt, warum Bioenergie aus Waldholz und Agrarbiomasse in vielen Fällen keine Treibhausgase einspart. Potenziale sieht er vor allem in der Verwendung von Rest- und Abfallstoffen. Iris Lewandowski, Agrarwissenschaftlerin an der Universität Hohenheim, betont die wichtige Rolle der Bioenergie bei der Erreichung der Klimaschutzziele. Sie spricht sich vor allem für die Nutzung von Biogas aus, das ihrer Meinung nach jetzt schon einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduktion leistet.


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„Biomasseverbrennung ist nicht generell CO2-neutral – eine differenzierte Betrachtung ist nötig“


Der neue IPCC-Sonderbericht zur 1,5-Grad-Erderhitzung zeigt drastisch auf, wie dringend es ist, die Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre zu begrenzen. Muss uns da nicht jedes Mittel recht sein, das hilft, den Einsatz von Fossilenergie zu reduzieren?

Ja und nein. Ja, der Einsatz von Kohle, Erdöl und Erdgas muss – in dieser Reihenfolge – so rasch wie möglich reduziert werden. Dennoch: Nein, dafür ist nicht jedes Mittel recht. Dem Klima ist nämlich nur dann geholfen, wenn die Reduktion des Fossilenergieeinsatzes auch wirklich Treibhausgasemissionen, und hier vor allem CO2, einspart. Und das ist bei der Biomasseverbrennung leider nicht generell der Fall.

Biomasseverbrennung setzt viel CO2 in die Atmosphäre frei

Klar ist: Bei der Verbrennung von Biomasse wird pro Energieeinheit ungefähr so viel CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, wie wenn Kohle verheizt wird. Ein Ersatz von Fossilenergie durch Biomasse verringert daher den CO2-Gehalt der Atmosphäre nur dann, wenn das Kohlendioxid aus der Biomasseverbrennung durch neues Pflanzenwachstum wieder aus der Atmosphäre entfernt wird.

Aber ist das nicht ohnehin immer der Fall? Hier wird es kompliziert: Bäume speichern beim Wachstum große Mengen CO2 im Stammholz, in den Wurzeln und in anderen Pflanzenteilen bzw. im Boden. Nur wenn der Wald nicht abgeholzt wird, bleibt das CO2 jahrzehnte- bis jahrhundertelang dort gebunden. Wird das Holz verbrannt, gelangt es jedoch wieder in die Atmosphäre.

  • Helmut Haberl
  • Institut für Soziale Ökologie, Wien

Der Humanökologe ist außerordentlicher Professor am Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien. Er hat als Leitautor maßgeblich am 5. IPCC-Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe III „Minderung des Klimawandels“ mitgearbeitet.  Im Projekt ESYS bringt er sein Wissen über Klimaschutz, Bioenergie und Nachhaltigkeit in der Arbeitsgruppe „Bioenergie“ ein.

CO2-Bilanz der Waldnutzung

Der größte Holzeinschlag lässt sich in Mitteleuropa erzielen, wenn man den Wald etwa alle 70 Jahre erntet und danach wieder aufforstet. Bei kürzeren und längeren Umtriebszeiten ist die Holzproduktion geringer. Steigert man die Umtriebszeit über diesen forstwirtschaftlich optimalen Wert hinaus, ist ein Trade-off zu beobachten: Der Wald liefert dann zwar weniger Holz, aber er speichert dafür mehr CO2.

In fast allen mitteleuropäischen Ländern ist der Wald eine sogenannte CO2-Senke, das heißt, er lagert jedes Jahr Kohlendioxid ein. Die gespeicherte Kohlenstoffmenge wächst, und damit wird der Atmosphäre CO2 entzogen. Steigert man die Holzproduktion, wird die CO2-Senke geringer oder der Wald wird eventuell sogar zu einer CO2-Quelle. Selbst wenn man mit dem gewonnenen Holz im Verhältnis 1:1 Fossilenergie ersetzt, erspart dies der Atmosphäre in der Regel kurzfristig kein CO2. Die meisten Rechnungen zeigen, dass vor allem in den entscheidenden nächsten Jahren und Jahrzehnten die CO2-Belastung der Atmosphäre durch solche Maßnahmen gesteigert statt reduziert wird – kein Beitrag also zum 1,5-Grad-Ziel.

Differenzierte Betrachtung ist nötig

Die entscheidende Frage ist daher, wieviel Treibhausgas tatsächlich eingespart wird, wenn man Fossilenergie durch Biomasse ersetzt. Das ist leider mit technischen Ansätzen wie der Lebenszyklusanalyse (LCA) nicht verlässlich zu beantworten, weil es von systemischen Effekten abhängt: Wie viel Biomasse soll energetisch genutzt werden? Wie hoch ist die Nahrungsmittelnachfrage? Welche Nahrungsmittel werden konsumiert? Wie werden sie produziert? So zeigen Studien, dass Biogas aus Mais eine ähnliche CO2-Bilanz wie Erdgas hat. Die Betrachtung muss sowohl global als auch regional erfolgen. Durch die globalen Märkte ist eine rein deutsche Betrachtung nicht sinnvoll.

Auch bei Biomasse, die in Form von Energiepflanzen auf Acker- und Grünlandflächen angebaut wird, kann man nicht einfach einen geschlossenen CO2-Kreislauf unterstellen: Der Anbau von Energiepflanzen braucht Flächen. Werden Nahrungspflanzen verdrängt, werden eventuell anderswo Wälder gerodet und CO2 freigesetzt.

Nur wenn man all das weiß, kann man die CO2-Bilanz der Bioenergieproduktion ermitteln. Die simple – und leider immer noch weit verbreitete – Annahme, die Pflanzen würden genau so viel CO2 binden wie bei der Biomasseverbrennung freigesetzt wird, ist daher höchstens in Ausnahmefällen zufällig richtig, im Großen und Ganzen aber falsch.

Eine differenzierte Betrachtung ist also dringend nötig, um den Beitrag für den Klimaschutz von Bioenergie zu beurteilen. Eine solche Betrachtung ergibt durchaus Potenziale, durch Biomassenutzung CO2 einzusparen, etwa bei vielen Formen einer Kaskadennutzung der Biomasse bzw. der Nutzung von organischen Reststoffen. Unterstellen wir hingegen pauschal, Biomasseverbrennung wäre CO2-neutral, laufen wir Gefahr, mit großem finanziellen, politischen und gesellschaftlichem Aufwand Dinge zu tun, die dem Klima nicht helfen – oder ihm sogar schaden.

„Wir können nicht auf eine Bioenergienutzung verzichten“


Der effektivste Weg zur Verminderung der CO2-Emissionen ist die Abkehr von fossilen Energieträgern. Um das zu erreichen, müssen der Energieverbrauch verringert und fossile Rohstoffe durch erneuerbare ersetzt werden. Hier spielt Bioenergie eine zentrale Rolle, weil sie bereits heute eine verlässliche und planbare Ergänzung zu Wind- und Sonnenstrom liefert und einen wesentlichen Beitrag zur Wärme- und Verkehrswende leistet.

Bei der jetzigen Geschwindigkeit des Ausbaus der regenerativen Energien werden wir die Klimaschutzziele nicht allein durch Energieeffizienzsteigerung und durch den Ausbau von Sonnen  und Windenergie erreichen können. Gleichzeitig ist nicht zu erwarten, dass die noch unerprobten Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 bald einen relevanten Beitrag leisten können. Die Zeit drängt jedoch. So hat der deutsche Klimaforscher Schellnhuber errechnet, dass wir schon im Jahr 2030 CO2-neutral wirtschaften müssten, um das Ziel einer maximalen globalen Erwärmung von 1,5°C einhalten zu können.

Biogas vermeidet CO2-Emissionen
Sektorübergreifend ist die Bioenergie mit einem Anteil von etwa 55 Prozent der Energiebereitstellung der wichtigste erneuerbare Energieträger in Deutschland. Insbesondere im Wärme- und Verkehrssektor ist Biomasse für fast 90 Prozent der Endenergieversorgung aus erneuerbaren Energien verantwortlich. Einen wichtigen Beitrag hierzu leisten zum Beispiel die fast 9.500 Biogasanlagen mit einer Kapazität von 33 Terawattstunden (elektrische Energie). Damit stellt die Biogasproduktion 7 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms bereit und vermeidet jährlich 20 Millionen Tonnen CO2 Emissionen gegenüber der Nutzung fossiler Rohstoffe.

© Universität Hohenheim

  • Iris Lewandowski
  • Universität Hohenheim

Die Agrarwissenschaftlerin hat den Lehrstuhl für Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen an der Universität Hohenheim inne. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen nachhaltige Biomasseproduktionssysteme sowie die Entwicklung und Bewertung von biobasierten Wertschöpfungsketten.

Dies ist möglich, weil bei der Verbrennung von Biogas nur genau so viel CO2 freigesetzt wird wie vorher während des Pflanzenwachstums aufgenommen wurde. So können beim Einsatz von reiner Maisbiomasse bis zu 90 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zu fossilen Rohstoffen eingespart werden. Eine Nutzung von Gülle oder organischen Rest- und Abfallstoffen, welche zur Zeit 50 Prozent der eingesetzten Biogassubstrate ausmachen, verbessert die CO2-Bilanz nochmals deutlich. Zusätzlich sorgt die Vergärung der Gülle in der Biogasanlage dafür, dass schädliche Emissionen aus der Tierhaltung verringert und Nährstoffkreisläufe in der Landwirtschaft geschlossen werden können.

Damit leisten Biogasanalgen schon jetzt einen unerlässlichen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Energieversorgung in Deutschland. In Zukunft werden hierbei neben Mais auch andere Substrate eingesetzt, die noch mehr CO2-Emissionen einsparen und umweltverträglicher bereitgestellt werden können. Hier haben alternative Energiepflanzen wie die mehrjährig angebaute Silphie und Wildpflanzenmischungen große Potenziale. Die Produktion dieser umweltfreundlicheren Alternativen ist allerdings teurer. Diese Mehrkosten können nicht von den schon im Rahmen der Reformation des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit ständig sinkenden Preisen für ihren Biostrom konfrontierten Landwirten getragen werden, sondern sind eine gesellschaftliche Aufgabe.

Ausreichend Flächen für nachhaltige Biogaspflanzen
Die Flächen für solch einen Anbau von nachhaltigen Biogaspflanzen sind in Deutschland vorhanden. Einerseits entspricht die Fläche des heutigen Anbaus von Nachwachsenden Rohstoffen in etwa der Fläche, die noch zu Beginn der 1990er Jahre im Rahmen der europäischen Agrarpolitik zur Produktionsmengenbegrenzung aus der agrarischen Produktion genommen und stillgelegt werden musste. Andererseits sind die Aufwüchse der im Rahmen der aktuellen Agrarpolitik festgelegten „Greening-Flächen“ (5 Prozent der Fläche) als Standorte für den Anbau von mehrjährigen Biogaspflanzen geeignet. Dieses Potenzial sollten wir für eine schnell ausbaubare und verlässliche Energieversorgung nutzen. Denn im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne ist Bioenergie als einzige unabhängig von der Tageszeit und dem Wetter verfügbar.

Bioenergie unterstützt Versorgungssicherheit
Wir können also nicht auf die Nutzung von Bioenergie verzichten. Anstatt über einen Ausstieg aus der Bioenergienutzung nachzudenken, sollten die Stärken der Bioenergie gefördert und ausgebaut werden. Der notwendige Umbau unseres Energiesystems kann nur innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit funktionieren, wenn alle klimaschonenden Energieträger, insbesondere auch die Biomasse, einbezogen werden. Ein vorzeitiger Ausstieg aus der Bioenergienutzung würde die Versorgungssicherheit verschlechtern, zunehmend zur Nutzung von noch umweltschädlicheren fossilen Energien – wie dem durch Fracking gewonnenen Gas aus den USA – führen und den dringend notwendigen Ausstieg aus der Kohleverstromung weiter verzögern.

ESYS-Debatte I März 2019