Robert Schlögl  und Graham Hutchings

Robert Schlögl (l.; Max-Planck-Gesellschaft) und Graham Hutchings (Cardiff Catalysis Institute & Royal Society) vor der Eröffnung des Workshops © acatech/Glotzbach

CO2 als Rohstoff nutzen – Perspektiven aus Deutschland und Großbritannien

01. Juni 2018

Vom Schadstoff zum Rohstoff – statt die Atmosphäre zu belasten, lässt sich CO2 abscheiden und nutzen. Im zweitägigen Workshop „What potential does Carbon Capture and Utilization (CCU) have?“ am 30. und 31. Mai 2018 in Potsdam diskutierten britische und deutsche Expertinnen und Experten, welche Chancen die Nutzung von CO2 bietet und welche Risiken dabei beachtet werden müssen. Im Fokus stand die Frage, wie CO2 Produktionsprozessen entnommen und verwertet werden kann, um Stoffkreisläufe zu schließen. Das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) hat den Workshop zusammen mit der Royal Society und dem Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) veranstaltet.

Im Jahr 2017 sind die CO2-Emissionen im Industriesektor angestiegen. Um den Klimawandel einzudämmen, müssen diese Emissionen aber sinken. Technologien zur Nutzung von CO2 (Carbon Capture and Utilization, CCU) können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Denn Kohlendioxid lässt sich abscheiden und beispielsweise in Industrieprozessen als Rohstoff einsetzen. Dadurch werden weniger fossile Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas benötigt.

Wie kann man Kunststoffe, Chemikalien und Kraftstoffe aus CO2 herstellen? Welche technologischen Hürden gilt es dafür zu überwinden? Können neue Katalysatoren die Prozesse effizienter und kostengünstiger machen? Über diese Fragen diskutierten deutsche und britische Fachleute aus Wissenschaft und Forschung in einem zweitägigen Workshop in Potsdam. Das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam) und die Royal Society hatten zum internationalen Austausch eingeladen.

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Technologisches Potenzial

Am ersten Tag beleuchteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das technologische Potenzial. Ortwin Renn (Wissenschaftlicher Direktor des IASS Potsdam) und Graham Hutchings (Cardiff Catalysis Institute & Royal Society) begrüßten die Gäste. Robert Schlögl (Max-Planck-Gesellschaft) zeigte die Grundlagen und Herausforderungen von CCU auf: „Eine sichere Energieversorgung kann ohne speicherbare und transportfähige Energieträger nicht funktionieren. In Zukunft wollen wir solche Energieträger klimafreundlich herstellen. Dafür brauchen wir CCU-Technologien.“ Die weiteren Impulsgeber Alexander Cowan (University of Liverpool) und James Durrant (Imperial College London) stellten Forschungsergebnisse vor. Diese zeigen, wie die Umwandlung von CO2 in kohlenstoffhaltige Produkte effizienter werden kann. Thomas Bruhn (IASS Potsdam) schilderte, welchen Einfluss CCU-Technologien auf die Umwelt haben – etwa, wenn Chemikalien, die zur CO2-Abscheidung benötigt werden, in die Umwelt gelangen.

Die kommerzielle Nutzung von CO2 aus Perspektive der Wirtschaft erläuterte Wiebke Lüke (thyssenkrupp). Sie betonte: „CO2 ist ein wertvoller Rohstoff.“ Die thyssenkrupp AG hat im April eine Versuchsanlage fertiggestellt, in der aus CO2 synthetisches Methanol hergestellt wird. Die Anlage verarbeitet Hüttengase aus einem Stahlwerk. Mathew Davidson (University Bath) ging auf die kommerziellen Potenziale der Kunststoffherstellung aus CO2 ein. Christoph Sievering (Covesto) gab einen Einblick, wie Unternehmen ihre Rohstoffbasis von fossilen Energieträgern auf CO2 umstellen können. Paul Collier (Johnson Matthay) stellte britische CCU-Projekte und den Einfluss der politischen Rahmenbedingungen dar. So ist in Großbritannien die Nutzung von CCU in großem Maßstab bis 2030 Teil der Clean Growth Strategy. Dort wird Kohlendioxid bereits zur Herstellung von Gasen und Baumaterialien kommerziell genutzt.

Soziale und politische Perspektiven

Die sozialen und politischen Perspektiven standen am zweiten Tag des Workshops im Mittelpunkt. Wie die Nutzung von CO2 zu einem positiven Effekt auf das Klima führen kann, erläuterte Gunnar Luderer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK): „Die Wiederverwendung von CO2 aus fossilen Rohstoffen kann nur ein erster Schritt bei der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft sein. Um treibhausgasneutral zu werden, muss das verwendete CO2 aus der Luft oder aus Biomasse stammen, oder immer wieder im Kreis geführt werden.“ Rosa Cuéllar-Franca (University of Manchester) erklärte, wie wichtig es ist, CCU im Sinne eines Lebenszyklus‘ zu denken. Mit einem Blick auf den gesamten Prozess ließen sich so Risiken und Potenziale besser identifizieren. Um den Wert von CO2 als Rohstoff einzuschätzen, lenkte Barbara Olfe-Kräutlein (IASS Potsdam) den Blick auf soziale Aspekte: So sei noch zu beantworten, welchen Einfluss CCU auf die Umwelt und das Gemeinwohl hat, ob die Folgen transparent und umfangreich untersucht wurden und wie verschiedene Interessensgruppen CCU bewerten.

Wichtiger Baustein für die Zukunft

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass CCU ein notwendiger Baustein zukünftiger Energiesysteme und einer nachhaltigen industriellen Produktion sein wird. Als Nachteil von CCU sahen einige den hohen Energiebedarf. Graham Hutchings sagte in seinem Fazit dazu, dass die direkte Verwendung von Strom – etwa in Elektroautos und Wärmepumpen – vorzuziehen sei, um CO2 zu vermeiden. Allerdings gäbe es viele Bereiche, in denen dies nicht möglich sei. Dort stelle CCU die einzige Möglichkeit dar, von Erdgas und Erdöl unabhängig zu werden.

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