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Welche Perspektiven bietet die Sektorkopplung?

12. Juli 2016

Wie kann Deutschland das ehrgeizige Klimaziel erreichen, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren? Es wird nicht genügen, allein die Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen – auch die Wärmeversorgung und der Verkehr müssen klimafreundlicher werden. Welche neuen Technologien, rechtlichen Rahmenbedingungen und Marktanpassungen sind dazu erforderlich und wer trägt die Kosten? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt des vierten Trialogs der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und des Akademienprojekts ESYS, der am 11. Juli in Berlin stattfand.

Bisher greift die Energiewende vor allem im Bereich der Stromversorgung: So ist der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland im Jahr 2015 auf knapp 33 Prozent gestiegen. Im Wärme- und Verkehrsbereich hingegen ist ihr Anteil am Endenergieverbrauch mit 13 bzw. 5 Prozent deutlich niedriger. Um der langfristigen Vision einer nachhaltigen, kohlenstoffarmen Energieversorgung näherzukommen, müssen daher die Emissionen in allen Sektoren gesenkt werden.

Der Begriff Sektorkopplung beschreibt, wie Strom, Wärme und Verkehr zusammenwachsen und durch den Einsatz erneuerbarer Energien Treibhausgasemissionen gesenkt werden können. Unter welchen Voraussetzungen dies gelingen kann, diskutierten 65 Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft beim Trialog zum Thema „Sektorkopplung – von der Stromwende zur Energiewende“. Im Berliner Allianz Forum loteten sie Herausforderungen und Grenzen einer stärkeren Vernetzung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr aus. Dabei beleuchteten sie zum einen neue Technologien wie Power-to-X, mit denen sich aus Strom zum Beispiel Heizwärme, synthetisches Gas und Kraftstoffe herstellen lassen. Zum anderen setzten sie sich mit der Frage auseinander, inwiefern rechtliche Rahmenbedingungen und  Infrastrukturen angepasst werden müssten und welche Kosten dadurch entstehen.

Ansprechpartner

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. Die Einführung ins Thema übernahm Eberhard Umbach (acatech Präsidium), der die ESYS-Arbeitsgruppe Sektorkopplung leitet. „Eine kohlenstoffneutrale Energieversorgung ist eines der wichtigsten Ziele der Energiewende. Nur wenn fossile Energieträger sowohl in der Stromversorgung als auch im Wärme- und Verkehrsbereich weitgehend durch erneuerbare Energien ersetzt werden, kann dieses Ziel erreicht werden“, erklärte er. Weitere Impulsgeber waren Dorothee Mühl (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Heinrich Busch (Stadtwerke Essen) und Udo Sieverding (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen).

In anschließenden Workshops vertieften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konkrete Fragestellungen. Eine Gruppe beschäftigte sich etwa mit den Perspektiven der unterschiedlichen Power-to-X-Technologien. Bisher sind diese noch sehr teuer. Zudem ist umstritten, wie sinnvoll ihr Einsatz ist, weil die Umwandlung des Stroms in andere Energieträger teilweise wenig effizient ist, sodass dabei ein Teil der Energie für die Anwendung verloren geht. Die teilnehmenden Fachleute waren sich einig, dass Infrastrukturentscheidungen für den Umbau des Energiesystems frühzeitig und unter Einbindung wesentlicher gesellschaftlicher Akteure gefällt werden sollten.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kooperation zwischen der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und dem Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ stärkt die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. In den Trialogen tauschen sich ESYS-Fachleute mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wirtschaft und organisierten Zivilgesellschaft aus. Die Veranstaltungen werden dazu genutzt, neue Themen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und Fragestellungen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu schärfen.

Beteiligte Institutionen

Die HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform unterstützt durch ihre Trialoge den kommunikativen Austausch und die Verständigung zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen Politik, Wirtschaft und organisierte Zivilgesellschaft mit Medien und Wissenschaft zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Durch die Auswertung dieser Multi-Stakeholder-Treffen werden Grundkonsense deutlich, die die Formulierung gemeinwohlorientierter Politik vorbereiten. Eine Trialog- Veranstaltung dauert einen gesamten Arbeitstag, um neben den Impulsvorträgen ausreichend Zeit für die Diskussion zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen zu gewährleisten.

Mit der Initiative „Energiesysteme der Zukunft (ESYS)“ geben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften Impulse für die Debatte über Herausforderungen und Chancen der Energiewende in Deutschland. Im Akademienprojekt erarbeiten rund 100 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung Handlungsoptionen zur Umsetzung einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung. Die Federführung des Projekts liegt bei acatech.

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