Karsten Sach (BMU) erläuterte in seinem Impuls die Bedeutung von Leitbildern und Zielen für die Energiewende. © acatech/Öruc

11. Trialog zur Energiewende: Handeln gegen den Klimawandel – wie verändert der Klimaschutz unseren Alltag?

25. Februar 2019

Weniger Flugreisen und Fahrten im eigenen Auto, auf Fleisch verzichten, dafür bessere Luft und mehr Platz in den Städten – sieht so die Zukunft für Bürgerinnen und Bürger aus, wenn die Klimaschutzziele ernst genommen werden? Klar ist: Um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, muss das Energiesystem radikal umgebaut werden. Doch was bedeutet das für jeden Einzelnen? Welche Verhaltensänderungen der Weg zur Klimaneutralität erfordert und welche Chancen er für die Lebensqualität bietet, diskutierten 60 Energiefachleute beim Trialog der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und des Akademienprojekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) am 22. Februar 2019 in Berlin.

Bis 2050 sollen 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. Gleichzeitig gilt es, den Energieverbrauch zu halbieren - so sieht es das Energiekonzept der Bundesregierung vor. Was diese Zahlen für unser künftiges Leben bedeuten, ist schwer greifbar. Zwar sind einige Veränderungen durchaus absehbar: So brauchen wir in Zukunft deutlich mehr Photovoltaik- und Windkraftanlagen als heute; sie werden Landschaft und Städte sichtbar prägen. Wie wir dagegen von einem Ort zum nächsten kommen, ist noch nicht ausgemacht. Weiterhin zahlreiche Autos mit Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen Kraftstoffen fahren, sind genauso denkbar wie weniger Fahrzeuge, die weitestgehend elektrisch betrieben und geteilt werden.

Welche Entscheidungsspielräume gibt es für konsequente Klimapolitik überhaupt? Worauf werden wir voraussichtlich verzichten müssen? Welche Chancen bieten sich dafür – und wie lassen sich diese besser an Bürgerinnen und Bürger vermitteln? Im 11. Trialog zur Energiewende „2050 CO2-neutral: Das Energiesystem wird umgekrempelt – was bedeutet das für unseren künftigen Alltag?“ tauschten sich Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft darüber aus, welchen Beitrag die unterschiedlichen Akteure für eine gelingende Klimapolitik leisten und wie sie dabei zusammenarbeiten können.

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Leitbild für die Energiewende

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Gesine Schwan, Präsidentin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. ESYS-Mitglied Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, unterstrich in seiner Einführung, dass wir mittlerweile zwar relativ genau wüssten, mit welchen Technologien das Energiesystem klimafreundlich gestaltet werden kann. Bisher fehle es aber am Willen, das auch konsequent und mit der notwendigen Geschwindigkeit umzusetzen. „Dabei können große Transformationen sehr schnell gehen, wenn zwei Dinge zusammenkommen: technische Möglichkeiten und sozialer Veränderungsdruck. Für diesen braucht es ein Leitbild, das den gesellschaftlichen und privaten Nutzen der Veränderung überzeugend darstellt", erklärte der Experte für Energie- und Klimapolitik.

„Leitbilder und konkrete Ziele sind wichtig, weil sie der Gesellschaft Orientierung geben. Noch wichtiger ist es, Ziele auch umzusetzen“, erläuterte Karsten Sach vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Er betonte, dass wir einen CO2-Preis brauchen, aber ein CO2-Preis allein nicht alle Probleme löse. Es sei wichtig, Unternehmen Planungssicherheit zu geben und auch mit denjenigen Menschen den Dialog zu suchen, die sich missverstanden fühlen.

Diese Einschätzung teilte auch Bettina Hennig, Rechtanwältin und Partnerin der Kanzlei von Bredow Valentin Herz. Nach ihrer Erfahrung mit Mandanten aus der Energiewirtschaft ist die Energiegesetzgebung sehr kompliziert. „Wir müssen sicherstellen, dass die Akteure trotzdem weiter bereit sind, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Denn das brauchen wir für ein CO2-neutrales Energiesystem“, so die Rechtsanwältin.

Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik wies in seinem Impuls darauf hin, dass wir nicht allein auf technische Lösungen setzen können: Es werde nicht reichen, nur „smarter“ zu konsumieren – wir müssten auch weniger konsumieren. Nur dann könnten wir unsere Klimaziele erreichen.

Verhaltensänderungen anstoßen, Energie effizienter nutzen

In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem darum, wie Bürgerinnen und Bürger motiviert werden können, ihr Verhalten tatsächlich zu ändern. Deutlich wurde, dass der Wille zum Klimaschutz nicht automatisch mit einem klimafreundlichen Lebenswandel einhergeht. Wie einschneidend die Änderungen im Alltag sein werden, wurde kontrovers diskutiert. Einige Teilnehmer vertraten die Position, dass eine klimaneutrale Gesellschaft massive Einschnitte mit sich bringen werde, weil etwa das Mobilitätsverhalten komplett geändert werden müsse. Andere hingegen hielten einen drastisch reduzierten Fleischkonsum beispielsweise für eine überschaubare Anpassung.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprachen sich außerdem dafür aus, generell stärker eine Lebenszyklusanalyse bei der Bewertung von Emissionen vorzunehmen. Schließlich gebe es keine „emissionsfreie“ Energie, denn auch beim Bau von Erneuerbare-Energieanlagen werden Rohstoffe verbraucht. Energie effizient zu nutzen und wenn möglich zu vermeiden, sei daher immer die erste Wahl.  

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kooperation zwischen der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform und dem Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ stärkt die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. In den Trialogen tauschen sich ESYS-Fachleute mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wirtschaft und organisierten Zivilgesellschaft aus. Die Veranstaltungen werden dazu genutzt, neue Themen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und Fragestellungen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit zu schärfen.

Beteiligte Institutionen

Die HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform unterstützt durch ihre Trialoge den kommunikativen Austausch und die Verständigung zwischen den verschiedenen Stakeholdergruppen Politik, Wirtschaft und organisierte Zivilgesellschaft mit Medien und Wissenschaft zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Durch die Auswertung dieser Multi-Stakeholder-Treffen werden Grundkonsense deutlich, die die Formulierung gemeinwohlorientierter Politik vorbereiten. Eine Trialog- Veranstaltung dauert einen gesamten Arbeitstag, um neben den Impulsvorträgen ausreichend Zeit für die Diskussion zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Stakeholdergruppen zu gewährleisten.

Mit der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) geben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften Impulse für die Debatte über Herausforderungen und Chancen der Energiewende in Deutschland. Im Akademienprojekt erarbeiten über 100 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung Handlungsoptionen zur Umsetzung einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung. Die Federführung des Projekts liegt bei acatech.

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